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Florenz, 13. November 2015 – Renaults Beiträge in der Mittelklasse waren in der Vergangenheit nur temporär erfolgreich. Mit der Vorstellung des ersten Laguna begann eine für Renault sehr ertragreiche Zeit, denn die Limousine und der nur wenig später folgende Kombi verkauften sich ausgezeichnet. Von diesen Erfolgen war die Marke in den vergangenen Jahren weit entfernt. Mit einer Umbenennung in Talisman soll daran nun wieder angeknüpft werden. Das allein wäre wohl wenig aussichtsreich, doch der neue Renault hat weit mehr zu bieten, wie eine erste, kurze Ausfahrt zeigt.

Lang gemacht

Der Talisman ist schon optisch unverkennbar Teil jener Programmerneuerung, die mit dem aktuellen Clio angefangen hat und mit Espace und Mégane vermutlich noch nicht abgeschlossen ist. Renault hat zu einer eher ruhigen Formensprache zurückgefunden, die dem Wagen aus unserer Sicht gut steht. Leider ist der Talisman mit knapp 4,85 m ziemlich lang geworden. Damit ist er länger als ein VW Passat und nur sechs Zentimeter kürzer als ein BMW 5er. Ein Radstand von 2,8 m sollte für ein sehr gutes Raumangebot reichen, was auch so ist. Auch der Talisman reicht zwar nicht an Superb heran, doch er gehört definitiv zu den großzügig geschnittenen Autos dieser Klasse. Das gilt auch für den Kofferraum, der mit 608 Litern für eine Limousine ausgesprochen groß ist.

Die Verarbeitung des Testwagens aus der Vorserie lässt noch Raum für Verbesserungen: Das zentrale Display ist nicht perfekt eingepasst, die Verkleidung des Kofferraumhebemechanismus ist nicht sauber entgratet und die Hutablage ist unten nicht verkleidet, so dass das blanke Blech zu sehen ist. Gut gefallen haben uns die bequemen Ledersitze mit Massagefunktion, die nur ein wenig Seitenhalt vermissen lassen. Ob es die Massagefunktion nun unbedingt braucht, ist sicher Geschmackssache.

Die Gestaltung des Armaturenbretts ähnelt der des neuen Renault Espace. Vieles wird nun über einen großen Touchscreen geregelt. Die Bedienung geht im Großen und Ganzen leicht von der Hand und ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem letzten Laguna. Das eine oder andere Mal hakt es ein bisschen und man muss sich durch einige Menüs hangeln, aber mit etwas Übung findet man sich zurecht. Das Lenkrad hat viele Bedienelemente, aber die Lautstärke wird noch über die bekannten Renault-Satellitenhebel reguliert. Das Head-Up-Display mit Klappbildschirm erfüllt seinen Zweck, auch wenn die Anzeigen deutlich kleiner sind als bei den teureren Varianten, die die Grafik direkt auf die Windschutzscheibe projizieren.

Was die Assistenzsysteme und die Technik angeht, hat Renault beim Talisman aufgerüstet. Variable Dämpfer, ein adaptiver Tempomat und auch ein Toter-Winkel-Warner sind jetzt zu haben. Diese Ausfahrt war noch zu kurz, um sich von allem ein Bild machen zu können. Das adaptive Fahrwerk bietet allerdings eine spürbare Spreizung zwischen Sport und Komfort, wobei letzteres besser zur Grundausrichtung des Talisman passt.

Zum Verkaufsstart im Frühjahr 2016 bietet Renault drei Dieselmotoren und zwei Benziner an, die allesamt 1,6 Liter Hubraum haben. Die beiden Benziner leisten 150 und 200 PS und sind nur mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe zu haben. Den schwächsten Diesel mit 110 PS gibt es nur mit Schaltgetriebe, den stärksten Diesel ausschließlich mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Nur beim 130-PS-Diesel hat der Kunde die Wahl zwischen DKG und Schaltgetriebe.

Nur automatisch

Der Testwagen wurde vom 160-PS-Diesel angetrieben, der dem Talisman ausreichendes Temperament verleiht. Renault verspricht eine Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 in 9,4 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h. Damit liegt der Talisman ungefähr im Mittelfeld dessen, was die vergleichbare Konkurrenz auch abliefert. Ein Opel Insignia 2.0 CDTI Viertürer mit 170 PS und Sechsgang-Wandlerautomatik braucht 9,4 s und schafft 220 km/h, ein VW Passat 2.0 TDI mit DSG und 150 PS als Limousine ist mit 8,7 s und bis zu 218 km/h etwas fixer als der Franzose. Abseits von diesen Zahlenspielen ist der Talisman mit dem vorerst stärksten Diesel stets gut motorisiert. Zum positiven Gesamteindruck tragen auch das leise Laufgeräusch und das harmonische Zusammenspiel mit dem Getriebe bei. Der Verbrauch im NEFZ ist mit 4,5 Litern angegeben. Praxiswerte muss ein späterer Test liefern.

Eine offizielle Preisliste gibt es noch nicht. Bislang steht nur soviel fest: Das Basismodell „Life“ wird ab 27.950 verkauft und ist bereits üppig ausstaffiert. Ohne Aufpreis reicht Renault schon hier Klimaautomatik, 17-Zoll-Alus, Massagesitz und Navigationssystem mit dazu. Angesichts dessen scheinen die teureren Linien verzichtbar, sofern Renault auch dem Basismodell den Zugang zu allen Extras und Motoren öffnet. Der Kombi soll im Mai folgen, ein SUV auf Talisman-Basis möglicherweise noch 2016. So gestärkt stehen die Chancen, an alte Erfolge anzuknüpfen, gar nicht schlecht.