Hyundai Tucson 2.0 CRDi HTRAC 48 V im Fahrbericht

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Es erscheint folgerichtig, dass Hyundais gut laufendes Modell im höchst erfolgreichen Segment der Kompakt-SUV nun eine Hybridisierung bekommt. Mit dem Zweiliter-Diesel war der Hyundai Tucson bisher bekanntermaßen kein Kostverächter. Die Maßnahme passt aber auch damit zusammen, dass ihn mit der Modellpflege ein SCR-Katalysator auf die Abgasnorm Euro 6d-Temp bringt. Schließlich kann ein Startergenerator durch Boosten auch wirkungsvoll die Schadstoffbelastung im Rohabgas verringern.

Diesen Anschub leistet ein Aggregat mit 12 kW, versorgt von einem 440-Wh-Zwischenspeicher mit 48 Volt über einen Riementrieb. Die Leistung bleibt mit 136 kW unverändert, will nun aber als „Systemleistung“ angesprochen werden. Auch das Drehmoment von 400 Nm bleibt, ebenso wie die (angegebenen) Drehzahlbereiche. Leicht überraschend, aber technisch machbar. Drastisch gesenkte Verbrauchsangaben nähren zudem die Hoffnung, der Tucson könnte einen Schritt Richtung günstigeren Verbrauch geschafft haben. Neugier auf die Praxisvorteile dieser relativ einfachen Ertüchtigungsmaßnahme brachte dem Tucson die Einladung in die Redaktion.

Einzige kleine Einschränkung durch das Hybridsystems: Mit dem Lithium-Ionen-Stromspeicher verkleinert sich das Kofferraumvolumen um 54 auf 459 bis 1449 Liter. In Deutschland wurde das wohl vergessen, selbst in Konfigurator, Broschüre und Pressemitteilung steht bei den Mildhybrid-Tucsons noch der alte Wert. Wir fanden die Angaben in den Prospekten fürs europäische Ausland, etwa in A/CH/NL.

Im Alltag dürfte das kleine Volumen-Minus leicht zu verschmerzen sein. Platz für die Passagiere ist genug, selbst mit 1,85-Meter-Menschen vorn und hinten. Der hintere Mittelplatz ist wegen des Kardantunnels eine Notlösung. Problematisch dagegen die Befestigung eines dritten Kindersitzes in der Mitte wegen der Konturierung der Sitz- und Lehnenflächen.

Eindruck von Luftigkeit

Die Umgestaltung des Armaturenbretts dient augenscheinlich vor allem einer Angleichung an die anderen beiden SUV im Programm, den größeren Hyundai Santa Fe (Test) und den kleineren Hyundai Kona (Test). Sie belässt den jetzt sieben oder acht Zoll großen Touchscreen ungefähr, wo er war, flacht darum herum die Plastiklandschaft aber ab, was vor allem einem Eindruck von Luftigkeit zugutekommt.

Zum Glück wurde dabei die Bedienung von Heizung und Klimaautomat nicht in einem Untermenü beerdigt, wie bei Peugeot oder beim Citroën C4 Cactus (Test). Es blieb bei den quasi blind zu findenden, dicken Knubbeln. Auch sonst ist die Ergonomie der Bedienelemente so gut, dass man getrost einfach losfahren kann in der berechtigten Hoffnung, alles dort zu finden, wo es hingehört.

Verlust der Übersicht

Weniger gelungen ist die Ergonomie der Sitze, die zwar groß, aber in ihren Stützfunktionen etwas zu wenig definiert und variabel sind. Gut fand ich ihre weiten Verstellbereiche, wie auch die des Lenkrads. Wer gern tief sitzt, kommt möglicherweise nicht ganz auf seine Kosten. Erstens lassen sich die Sitze nicht ausgesprochen niedrig einstellen, und wenn es möglich wäre, verlöre man den Rest der Übersicht – vor allem nach hinten. Die ansteigende Fensterlinie und eine kleine Heckscheibe lassen im Schulterblick nur wenig erkennen.

Dagegen hilft ein bisschen der Totwinkelassistent und fallweise auch die Einparkhilfe mit 360-Grad-Kamera sowie ein hinterer Querverkehrswarner. Es gibt aber auch Ausstattungen ohne diesen Assistenten und vor allem Situationen, die man ohne technische Hilfestellung bewältigen muss. Wenn man sie braucht, fällt auf, dass sehr nasses Wetter, Schmutz oder Schneefall der Optik der hinteren Kamera ziemlich zusetzen können.

Ein bisschen unverbindlich

Der Motor ist zwar durchzugsstark, reagiert bei niedriger Drehzahl aber ein bisschen unverbindlich aufs Pedal. Das hat vor allem mit dem trotz variabler Turbolader-Geometrie nur verzögert anflutenden Drehmoment zu tun. Es bleibt zudem spürbar, dass er es mit mindestens 1,8 Tonnen zu tun hat – bei einem SUV der sogenannten „Kompaktklasse“. Ein in fast jeder Hinsicht vergleichbarer Skoda Karoq 2.0 TDI 4x4 (Test) wiegt laut Datenblatt rund eine Vierteltonne (!) weniger. Immerhin wird der Hyundai selbst unter Vollast nie laut, wenn er auch über 2500/min etwas angestrengter stöhnt.

Der dank Riementrieb des Startergenerators unauffällig leise, wegen seiner Kraft aber auch sehr schnelle Startvorgang nimmt einem ein bisschen die Angst vor den auch mal zur Unzeit eintreffenden Schlafattacken durch die Stopp-Start-Funktion. Vielleicht verleitet das künftig weniger Fahrer zum Ausschalten des automatischen Motor-Aus. Abgestellt wird der Motor allerdings nur unterhalb 30 km/h beim Ausrollen, das sogenannte Segeln, also Auskuppeln bei hoher Geschwindigkeit, ist in Verbindung mit dem Schaltgetriebe keine Option.

Vom neuen Startergenerator hätten wir erwartet, dass die Mithilfe von bis zu 12 kW die spürbare Ansprechverzögerung wenigstens etwas mildert. Das Einzige, was einen die Mildhybridisierung aber tatsächlich spüren lässt, ist eine etwas stärkere Motorbremswirkung. Beim Rekuperieren und leerem Akku kommt so fast ein bisschen Elektroauto-Gefühl auf. Allerdings nur kurz, denn der Speicher ist klein. Nachdem sich an den Fahrleistungen nichts geändert hat, staunten wir nicht schlecht, nicht einmal einen Unterschied im Verbrauch feststellen zu können.

Kein Unterschied im Verbrauch

Die Angaben zum Kraftstoffkonsum hat Hyundai ja drastisch gesenkt – innerorts von acht auf 5,4 Liter auf 100 km. Wir kamen im Stadtverkehr auf 8,2 Liter, insgesamt auf 7,2. Immerhin steht das Ganze in einem gewissen Einklang mit den aufs Komma unveränderten Angaben zu Leistung, Drehmoment sowie Fahrleistungen.

Die Verbesserung für den Kunden ist deutlich zu gering, wenn überhaupt vorhanden. Das wird gerade im Blick auf den Wettbewerb deutlich: Ein Audi Q3 2.0 TDI mit Zweiliter-Diesel (150 PS) verbraucht in der Praxis unter sechs Liter, den exakt gleich schweren und größeren Audi Q5 2.0 TDI (Test) mit 190 PS bewegten wir mit 6,2 Litern. Einen BMW X1 xDrive 20d (Test), ebenfalls ein Zweiliter-Diesel mit vergleichbaren 190 PS fuhren wir im gleichen Fahrprofil mit 6,6 Litern. Mit einem Skoda Karoq 2.0 TDI 4x4 (Test) erzielten wir 6,3 Liter. Ferner im Rennen gegen den Hyundai sind Ford Kuga, Kia Sportage (Test), Mazda CX-5 (Test als Benziner), Nissan Qashqai und VW Tiguan.

Zum ruhigen Charakter des Antriebs passt das Räderwerk des Getriebes, das mit langen Schaltwegen keine Ambition zu einer engagierteren Gangart weckt. Freundlich erinnert der Tucson mit großen, grünen Pfeilen und Zahlen nicht nur ans Hoch-, sondern auch an das Herunterschalten.

Tribut der Mode an die Physik

Die straffe Federung verhindert ein allzu schwammiges Fahrgefühl durch den hohen Schwerpunkt. Ein spürbares Plus an Komfort steuert im Rahmen dieser Verbindlichkeit zwar die hintere Mehrlenkeraufhängung bei. Komfortabler und gleichzeitig agiler ließe sich bei gleichem Gewicht aber nur ein niedrigeres Fahrzeug abstimmen, Tribut der Mode an die Physik. Immerhin rollt der Tucson nicht stößig ab, außer mit den wohl nur für Hyundais Rendite vorteilhaften 19-Zoll-Felgen mit Reifen in der Dimension 245/45 R 19. Wir würden zu den 17-Zoll-Felgen raten, weil der Tucson auf den höheren Reifendimensionen durchaus komfortabler fährt und der Reifen die Felge auch nicht so den allfälligen Beschädigungsgefahren exponiert.

Das Fahrwerk ist fehlertolerant abgestimmt, bei übertriebener Kurvengeschwindigkeit bremst sich der primäre Fronttriebler über die Vorderräder. Die Abstimmung der Lenkung bietet wahrscheinlich nur den Autofahrern zu wenig Rückmeldung, denen schon das Fahrwerk zu große Kompromisse eingeht. Zudem ist das ein spezifisch europäisches Thema. Noch, denn die Kunden beginnen sich offenbar ohnehin langsam an die US-asiatische Auslegung zu gewöhnen.

Eine wirklich gefühlvolle Lenkung ohne spürbare Antriebseinflüsse ist bei einem Frontantriebsauto ohnehin ein Widerspruch in sich. Wer auf so etwas Wert legt, wird nur mit primär heckgetriebenen SUVs glücklich werden. Das Problem besteht darin, dass die mit dem alten BMW X1 im Bereich der Kompakt-SUV ausgestorben sind, denn der aktuelle X1 basiert ja ebenfalls auf Frontantrieb. Die Lösung böte allenfalls die teurere Größenklasse darüber mit Modellen wie Alfa Romeo Stelvio 2.2 d (Test), BMW X3 20d (Test) oder Mercedes GLC (Test).

Gern genutzter Spurhalteassistent

Der sogenannte Sportmodus ändert auf Knopfdruck spürbar nur die Lenkkraft, nicht aber die Charakteristik. Spielkram, denn auch damit wird das Fahren mit dem Tucson keine Spur unterhaltsamer. Immerhin ist der Lenkeingriff durch den Spurhalteassistenten so gekonnt unterschwellig-progressiv ausgelegt, dass man ihn auf der Langstrecke gern nutzt statt ihn abzuschalten.

Eine ernsthaft sinnvolle Option kann dagegen der Bedarfsallradantrieb sein, den Hyundai HTRAC nennt. Die branchenübliche Lösung, die Hinterachse per Lamellenkupplung bedarfsgeregelt am Vortrieb zu beteiligen, brachte uns während der sogenannten Schneechaos-Tage in der bayerisch-österreichischen Gebirgsregion zuverlässig auch über die von den Räumdiensten aufgeschobenen Schneewälle. Durchdrehenden Rädern begegnet die Schlupfregelung per Bremseingriff, zusätzlich kann als Anfahrhilfe die Lamellenkupplung manuell per Knopfdruck geschlossen werden.

Sorglos rauf, vorsichtig runter

Selbst steile Almzufahrten mit festgefahrener Schneedecke ohne Splitstreuung waren damit aufwärts einfach zu bewältigen. Man kann es aber nicht häufig genug wiederholen: SUVs benötigen ihren Allradantrieb, um mit leichten 2WD-Kleinwagen nur mithalten zu können. Bergab dagegen sind leichtere Autos – egal mit wie vielen angetriebenen Achsen – weitaus im Vorteil, schließlich fährt jedes davon verpflichtend mit 4x4-Bremsen. Bergab zählt (bei guter Winterbereifung) fast ausschließlich gespartes Gewicht, wahrlich keine Stärke des Tucson. Das Kompakt-SUV wiegt in der gefahrenen Version mindestens 1845 Kilogramm. Da tastet man sich schon viel vorsichtiger den Berg wieder hinunter, wo man im Bauernauto Citroën Cactus noch sorglos herumgekurvt wäre.

Dachlast und Stützlast liegen bei 100 kg. Auf einem Fahrradgepäckträger für die Anhängekupplung können so beispielsweise zwei schwere E-Bikes mitfahren. Die Anhängelast beträgt bei gebremsten Hängern immerhin 2200 kg, in diesen Disziplinen dürften die erwähnten Kleinwagen bei allen fahrdynamischen Vorteilen freilich nicht mithalten können.

Bleibt solide

Der Tucson bleibt das solide Kompakt-SUV, als das er bisher schon beliebt war. Vom erhofften Schritt in Richtung Verbrauchssenkung schafft er mit der teuren Hybridisierung allerdings keinen Zentimeter. Möglicherweise schafft es die Technik gerade mal, die neuerdings mit Harnstoff arbeitende Abgasreinigung zu unterstützen. Wir bilanzieren, dass unrealistische Verbrauchsangaben auch in Zeiten des WLTP noch möglich sind und sich der Mildhybrid-Anschub wohl nur wegen der Laborwerte für Hyundai lohnt. Nicht aber für seine Kunden.

Für Überführungs- und Treibstoffkosten kam Hyundai auf.