Die Kunst der Proteinmanipulation

US-Forscher haben die molekulare Ursache der Parkinson-Krankheit aufgedeckt und in Tierversuchen einen Weg gefunden, der die Schädigung rückgängig machen könnte

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery
  • Katherine Bourzac

Jeder kennt die Bilder von Papst Johannes Paul II., wie er – von der Parkinson-Krankheit gezeichnet – seine öffentlichen Auftritte zuletzt mit unkontrolliert zitternden Händen und kaum verständlicher Stimme absolvierte. Bis er schließlich vor der Erkrankung, die auch Schüttellähmung genannt wird, kapitulieren musste und an ihr starb.

Jetzt haben Wissenschaftler vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, Massachusetts, im Verbund mit weiteren Instituten einen doppelten Erfolg auf dem Gebiet der Parkinson-Forschung gefeiert. Sie haben nicht nur Licht in das Dunkel gebracht, dass die Kenntnis des genauen Stoffwechselweges umgeben hat, der bei Parkinson blockiert ist und in Gehirnzellen zum bekannten Symptom des Dopaminmangels führt. Gleichzeitig haben sie in Tiermodellen auch einen Weg gefunden, wie sich diese Blockade aufheben lässt. Sie hoffen, dass sich durch ihre Entdeckung eines Tages auch bei Parkinson-Patienten die normalen neurologischen Funktionen wieder herstellen lassen.

Die Forscher um Susan Lindquist konnten zeigen, dass bei Parkinson in den Gehirnzellen, die den wichtigen Botenstoff Dopamin produzieren, die Verpackung von frisch produzierten Proteinen in Schutzmembranen und ihr Transport zur Weiterverarbeitung zum Erliegen kommen. Schuld daran ist ein fälschlicherweise im Überfluss hergestelltes Protein namens Alpha-Synuclein, das die Transportabläufe blockiert und zu einer Anhäufung von unfertigen Proteinen führt.

Das Dopamin, das ebenfalls nicht verpackt wird, verursacht in den Neuronen irreversible Schäden. Der ebenfalls außer Gefecht gesetzte Abräumdienst für unvollständig verarbeitete Proteine tut ein übriges, um die Dopamin-Produktionsstätten zu Grunde zu richten.

Weltweit sind mehr als sechs Millionen Menschen von der Parkinson-Krankheit betroffen, die durch diesen Dopaminmangel entsteht. Wird genügend Dopamin in spezialisierten Nervenzellen im Gehirn produziert, übermittelt der Botenstoff die Befehle des Nervensystems an die Muskulatur. Wenn allerdings die Neuronen irreversibel geschädigt werden und absterben, wird nicht mehr genügend Dopamin produziert.

Die Folgen sind Muskelzittern (Tremor), Starre durch Muskelverspannung (Rigor) und eine Starthemmung von Bewegungen (Akinese). Zum Tod führt schließlich eine Blockierung der Atemmuskulatur. Für Parkinson gibt es bislang keine ursächliche Behandlungsmethode. Bekämpft werden können lediglich die Symptome, zum Beispiel durch die Gabe der Dopamin-Vorstufe L-Dopa, die der Körper in den Botenstoff umwandeln kann.

Auf der Suche nach der Ursache des Dopaminmangels haben die Whitehead-Wissenschaftler einem der Hauptverdächtigen für die Schädigung und das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen nachgespürt: dem Alpha-Synuclein, das sie in den Neuronen in falsch gefalteter Form in großen Klumpen gefunden hatten. Doch sie kannten weder die normale Funktion des Proteins noch wussten sie, wie es den fatalen Dopaminmangel verursacht.

Bekannt war aber, dass Alpha-Synuclein-Überdosis dadurch entsteht, dass das entsprechende Gen, also der DNA-Bauplan des Proteins, nicht wie üblich in einfacher, sondern gleich in zwei- bis dreifacher Ausfertigung vorliegt. Weil das Protein zudem seinen eigenen Abbau verhindert und nicht mehr korrekt gefaltet wird, sammelt es sich in der Zelle in Klumpen an.

Um aufzudecken, warum das die Neuronen schädigt, benutzte Lindquists Gruppe Hefezellen als Modell für die von Parkinson heimgesuchten Nervenzellen. Sie fügte zwei Kopien des Alpha-Synuclein-Gens in das Erbgut der Hefezellen ein, so dass das Protein auch hier im Überfluss hergestellt wurde.

Die Alpha-Synuclein-Klumpen lassen sich mit Hilfe von grün fluoreszierenden Proteinen sichtbar machen, deren Erbgut an das Alpha-Synuclein-Gen gekoppelt eingeschleust wurde. Genau wie die Dopamin produzierenden Nervenzellen beim Menschen gingen auch die Hefezellen ein, sobald sie das Alpha-Synuclein im Überfluss produzierten.

Lindquists Gruppe entdeckte, dass die Alpha-Synuclein-Klumpen die Nervenzellen daran hindern, frisch produzierte Proteine weiterzuverarbeiten. Diese müssen nämlich, bevor sie an ihre Einsatzorte transportiert werden, gestutzt, gefaltet oder mit zusätzlichen Molekülgruppen versehen werden. Dies geschieht einer Art verzweigtem Röhrensystem, dem so genannten Endoplasmatischen Reticulum (ER). Das ER schnürt kleine Bläschen ab, in denen die Proteine wie in einer Schutzhülle zu einer zweiten Proteinverarbeitungswerkstatt transportiert werden – dem Golgi-Apparat, in dem die Proteine durch weitere chemische Änderungen für ihre Aufgaben vorbereitet werden.

In gesunden Neuronen spielt das Alpha-Synuclein spielt bei diesem Transport eine natürliche Rolle, doch die Geschehnisse laufen aus dem Ruder, sobald es im Überfluss produziert wird. Dann sabotieren die Alpha-Synuclein-Klumpen den Transport, indem sie ein weiteres dafür wichtiges Molekül abfangen. Die Proteine werden nicht mehr ordnungsgemäß in eine Schutzmembran gehüllt und sammeln sich in der Zelle an. „Auch Dopamin muss in Membranen verpackt und aus der Zelle befördert werden, sonst verursacht es in der Zelle oxidative Schäden“, sagt Aaron Gitler aus dem Lindquist-Labor.

Auf der Suche nach einem Weg, das Alpha-Synuclein an seinem fatalen Treiben zu hindern, nahmen die Forscher das Erbgut des Alpha-Synuclein-Hefemodells unter die Lupe – um Gene zu finden, die für mögliche Gegenspieler-Proteine kodieren. Dafür lösten sie bei 3.000 Genen nacheinander eine Überproduktion aus, um zu sehen, welches ebenfalls im Überfluss produzierte Protein die Wirkung der Alpha-Synuclein-Überdosis neutralisieren und wieder für einen geordneten Transport sorgen kann. Sie wurden gleich mehrfach fündig.

Als sie zum Beispiel das Ypt1p-Gen zur Überproduktion anregten, überlebten die Hefezellen plötzlich. Das Ypt1p-Gen kodiert für ein Protein, das ebenfalls in den Proteintransport involviert ist. Offenbar schafft es die Yptp1-Protein-Überdosis, den Transport wieder anzukurbeln und die Zellen vor dem Untergang zu bewahren.

Die Forscher beobachteten zudem auch bei Neuronen von komplexeren Lebewesen wie Fadenwürmern, Fliegen und Ratten, dass das Rab1-Protein (das dem Ypt1p-Protein der Hefe entspricht) die Wirkung der Alpha-Synuclein-Überdosis aufhebt.

Das entsprechende Protein könnte auch beim Menschen eine rettende Wirkung haben. Doch eine Gentherapie ist laut Gitler derzeit noch nicht in Sicht, ebenso dürfte das über die Blutbahn verabreichte Rab1-Protein die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Deshalb setzen die Forscher auf die Suche nach so genannten Small Molecules, die eine ähnliche Wirkung wie das Rab1-Protein entfalten. Small Molecules sind organische Verbindungen natürlichen oder künstlichen Ursprungs, die ein niedriges Molekulargewicht haben und durch die Schranke zum Gehirn schlüpfen könnten.

Immerhin hat die Whitehead-Studie gezeigt, dass Probleme beim Proteintransport der erste Hinweis auf eine Parkinson-Erkrankung sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass der gestörte Proteintransport der einzige entscheidende Faktor ist.

Tatsächlich reduzierte ein erhöhter Rab1-Protein-Spiegel in den untersuchten Modellorganismen zwar die Todesrate der Neuronen, verhinderte das Zellsterben aber nicht vollständig. Aber Rab1 ist auch nur eines von mehreren viel versprechenden Kandidaten, die die Whitehead-Forscher entdeckt haben, und sie haben noch lange nicht alle 6.000 Hefegene durchgecheckt.

Es gibt also noch viel zu tun, insbesondere steht eine Bestätigung im Mausmodell aus, bevor es an Versuche mit menschlichen Neuronen gehen kann. Auch wenn das noch Jahre dauern wird, haben ihre Ergebnisse wichtige Einblicke in die molekularen Ursachen von Parkinson geliefert und bedeuten einen wichtigen Schritt in Richtung einer erfolgreichen Therapie. (nbo)