GNU-Health-Interview: Korruption verhindert Nutzung von freier Software

Darüber, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen auch mit freier Software funktionieren kann, haben wir mit Vertretern der GNU-Health-Community gesprochen.

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Hände eines Arztes oder einer Ärztin, die einen weißen Kittel und ein Stethoskop trägt

(Bild: PeopleImages.com - Yuri A/Shutterstock.com)

Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Marie-Claire Koch
Inhaltsverzeichnis

Um das Gesundheitssystem effizienter zu gestalten und Forschung voranzutreiben, hilft der Einsatz entsprechender Software. Doch gerade im Gesundheitswesen ist diese oft teuer und mitunter fehlen die (Geld-)mittel – nicht nur in Ländern wie Tansania, sondern auch hierzulande. Darüber, in welchen Ländern frei verfügbare Software bereits in Krankenhäusern zum Einsatz kommt und wo es hakt, haben wir mit Dr. Axel Braun und dem Arzt Dr. Edgar Hagenbichler von der GNU-Health-Community gesprochen.

heise online: Was ist genau die Motivation hinter GNU Health und wie ist es entstanden?

Dr. Axel Braun hat die erste GNU Health Live-CD veröffentlicht, kümmert sich um die Integration in openSUSE und ist langjähriger Unterstützer von GNU Health.

(Bild: Axel Braun)

Axel Braun: Vor mehr als fünfzehn Jahren. Der Initiator des Projekts, Luis Falcón, ist Arzt und Informatiker und musste sich damals in Buenos Aires einer medizinischen Behandlung unterziehen. Dabei stellte er fest, dass es in vielen Krankenhäusern wenig, bis gar keine moderne Technik gibt. Das liegt primär daran, dass medizinische Software extrem teuer ist. Für ihn war das der Startschuss, zu sagen: Wir können das auch anders machen. Damit war das GNU-Health-Projekt geboren. Inzwischen ist es in einen etwas größeren Kontext eingebettet.

Die Nichtregierungsorganisation, die das Ganze vorantreibt, heißt GNU Solidario und die Mission ist Bildung und Gesundheitsvorsorge mit freier Software. Im Jahr 2008 begann das Projekt mit Open ERP (Enterprise Resource Planning) als unterliegendes ERP-Framework. GNU Health baute auf dem damaligen Open ERP auf, bis zu dem Zeitpunkt, als Open ERP seine Lizenzbedingungen änderte und sie eben nicht mehr so frei waren, wie sie sein könnten. Das war vor ungefähr zehn Jahren, als die technische Basis von GNU Health auf Tryton umgestellt wurde, was wiederum auch ein Fork von Open ERP oder Odoo ist, wie es heute heißt.

Dr. Edgar Hagenbichler ist Arzt für Allgemeinmedizin, Arbeitsmediziner, Psychotherapeut und Dienstleister in der Informationstechnologie und Partner von GNU Health

(Bild: Edgar Hagenbichler)

Edgar Hagenbichler: Was ursprünglich mit Louis Falcón und GNU Solidario entstanden ist, sollte den Unterprivilegierten beziehungsweise Menschen aus weniger wohlhabenden Ländern ein technisches System im medizinischen Bereich zur Verfügung stellen. Die Technik ist sozusagen eine Notwendigkeit.

Das Projekt lebt von Freiwilligen und ich denke, dass jeder von uns einen anderen Zugang und eine andere Motivation zu GNU Health hat. Für mich als praktizierender Arzt ist vor allem relevant, dass Medizin beziehungsweise Gesundheit und der Zugang zu Gesundheit frei sein muss. Das ist ein Menschenrecht, das Recht auf Gesundheit und dazu gehören dann auch die Werkzeuge, denn die Medizin ist mittlerweile sehr stark technologiegetrieben und von Technologie beeinflusst.

GNU Health ist ein zentraler Punkt. Wichtig ist aber, dass die Technik unterstützend eingesetzt wird und nicht die Medizin dominiert. Partizipation und Verantwortlichkeit sind dafür relevant. Letzteres, weil man nachschauen kann, was das System einem dann vorschlägt, was bei unfreier Software beziehungsweise geschlossenen Systemen per se nicht möglich ist. Man kann überprüfen, was das System macht. Das ist auch das wesentliche Verständnis in der Medizin – das Wissen zu teilen und dem Patienten zur Verfügung zu stellen. Wissen sollte nicht als geistiges Eigentum zugelassen werden. Für das 21. Jahrhundert und gerade mit künstlicher Intelligenz ist das noch ein viel relevanteres Thema geworden.

Braun: Ich bin seit den 80er-Jahren im Umfeld Freier Software aktiv. Ende der 90er-Jahre bin ich komplett auf Linux-basierte Systeme umgestiegen. Im Jahre 2005 wollte ich bereits eine Praxensoftware auf Basis einer freien Lizenz zur Verfügung stellen. Dann habe ich nach einer Marktanalyse festgestellt, dass es in Deutschland Systeme gibt, die komplett von der Pharmaindustrie gesponsert werden. Mein damaliger Gedanke war: Wenn eine Praxis so etwas umsonst bekommt, wird sich niemand die Mühe machen, in eine freie Software zu investieren. Also habe ich das auf Eis gelegt und bin dann Jahre später zu GNU Health gekommen, weil mich das Thema immer noch interessiert.

heise online: Woraus besteht GNU Health?

Braun: GNU Health besteht aus drei Hauptprodukten. Zum einen das klassische "Health Management and Information System" (HMIS), mit dem Arztpraxen und Krankenhäuser verwaltet werden können.

Dann gibt es den sogenannten "Federation Server" (Thalamus), der hilft, ein regionales oder nationales Gesundheitsnetzwerk aufzubauen. Dieser Federation Server ist die zentrale Dateninstanz, mit der sich die einzelnen Krankenhaus- oder Praxisknoten synchronisieren können. Dort können Benutzerdaten abgeglichen werden, Patientendaten, dort können Befunde hinterlegt und ausgetauscht werden und Ähnliches.

MyGNU Health ist das dritte und jüngste Produkt. Es ist ein "Personal Medical Record". Das ist nicht nur eine Patientenakte. Da können insbesondere persönliche Daten hinterlegt werden. Also zum Beispiel, wie geht es mir heute, psychosoziale Komponenten, welchen Blutdruck habe ich, welche Sauerstoffsättigung, welche Herzfrequenz, welches Gewicht und so weiter. Das wurde entwickelt, um auch auf freien Systemen laufen zu können. Das war damals die Entwicklungsumgebung für das PinePhone. Aber das PinePhone hat sich nicht so richtig durchgesetzt und deswegen wurde jetzt MyGNU Health 2.0 veröffentlicht, was auf Android laufen soll, plus auf den üblichen freien Desktops. Und das wird in Zukunft unter anderem auf dem Volla-Phone vorinstalliert sein. Das ist ein Anbieter aus Deutschland, der Android ohne Google ausliefert.

Kernmodule von GNU Health

(Bild: GNU Health)

GNUHealth selbst besteht aus einem Kernmodul, an das je nach Bedarf weitere Module angedockt werden können. Diese werden alle standardmäßig mitgeliefert. Wer speziellere Dinge aus dem ERP-Bereich haben möchte, hat die Möglichkeit, Module aus dem Tryton-Universum hinzuzufügen, wo weitere 140 verschiedene Module rund um Enterprise Resource Planning (ERP) oder Enterprise Resource Management enthalten sind – etwa für Bezahlmethoden und Supply-Chain-Funktionalitäten.

Und wer wirkt dort noch mit?

Braun: Die Tryton-Community. Diese ist ein bisschen größer als die von GNU Health und wird im Wesentlichen von der Tryton Foundation und zwei, drei Firmen dahinter getrieben. Aber es ist auch ein Projekt, das schon sehr lange existiert und dementsprechend gereift ist. GNU Health basiert immer auf den sogenannten Long-Term Support Releases von Tryton. Wir werden jetzt nächsten Monat die Version 4.4 von GNU Health veröffentlichen. Diese wird wieder auf Tryton 6.0 laufen. Und wenn kurz darauf Tryton 7 erscheint, dann überlegen wir, ob wir eine Migrationsversion von GNU Health 5.0 auf Tryton 7.0 herausbringen.

Was kann man damit machen?

Braun: Man kann zum Beispiel die Arztpraxis oder das Krankenhaus verwalten. Für das Krankenhaus können die Bettenbelegung, die Operationssäle und die Ärzte verwaltet werden. Es gibt etwa ein In- und Out-Patient-Management, womit es die Möglichkeit gibt, die ambulante oder stationäre Aufnahme zu verwalten. Es gibt auch ein Pharmacy-Modul, mit dem man die Medikamentenausgabe und Ähnliches verwalten kann, wie das Medikamentenlager und die Supply Chain dahinter. Und natürlich die ganze Abrechnung.

Die Verwaltung von Diagnosen und Befunden ist ein weiterer Kernbereich. Man kann unter anderem Geburtsurkunden, Totenscheine oder Rezepte ausstellen. Die Verschreibungen können dann elektronisch signiert werden mit GPG. Das machen wir schon seit Jahren.

Könnte die elektronische Patientenakte auch von GNU Health kommen?

Braun: Ja, GNU Health ist zunächst sehr allgemein. Jedes Gesundheitssystem auf der Welt ist anders. Nicht nur von der Sprache her, sondern vor allem von den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Welche Daten in welchem Format werden in Deutschland benötigt? Das wird sich bis 2025 noch ändern. Das ist auch eine klassische Schnittstellenfrage. Da müssen wir mappen, gegebenenfalls erweitern und so weiter.

Dazu sind Anpassungen an die nationalen Strukturen notwendig. Wir haben verschiedene Partnerschaften mit Hochschulen. Das Ziel ist, dass die Anpassungen innerhalb des Landes durch Bachelor- oder Masterarbeiten erfolgen. Oder durch Projekte, die dort stattfinden, wie zum Beispiel in Laos, die die komplette Übersetzung ins Laotische übernommen haben.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Orthanc, einem DICOM-Server für die Verwaltung medizinischer Bilder?

Braun: Wir haben eine Schnittstelle zu Orthanc für DICOM-Bilder, die gerade überarbeitet wird. Wir können den Orthanc-Viewer entsprechend einbinden – Orthanc steht unter GPLv3 zur Verfügung Dann bekommen wir ein Befundbild aus Orthanc und im GNU Health System gibt es einen Link zu diesem Bild. Wenn man daraufklickt, werden die DICOM-Bilder angezeigt. Wir brauchen also keinen eigenen Web-Viewer.

Wo kommt GNU Health überall zum Einsatz?

Braun: Offen gesagt, würden wir das auch gerne wissen. Niemand muss sich bei uns melden, um zu sagen, dass er oder sie es benutzt. Irgendwann kam mal eine Mail mit ein paar Fragen von einem Krankenhaus in Tansania. Wir haben sie dann unterstützt und gefragt, ob sie GNU Health einführen wollen. Es stellte sich heraus, dass sie es schon seit fünf Jahren benutzen, aber den Funktionsumfang erweitern wollten. Wir hatten bis dahin nichts davon gehört.

Wir haben auch ein Community-Mitglied aus China, das fleißig beim Bugfixing und Übersetzen hilft. Er konnte Wikibooks, wo die Dokumentation für GNU Health veröffentlicht ist, nicht sehen, weil die Seite in China gesperrt ist. Ein Projekt in China ist uns aber nicht bekannt.

Warum kommen die GNU-Health-Produkte nicht in Deutschland zum Einsatz?

Braun: Das liegt primär an den notwendigen Zertifizierungen. Das fängt bei der elektronischen Gesundheitskarte an, die eingelesen werden muss. Da braucht man Kartenlesegeräte, für die Zertifizierungen notwendig sind. Auch die notwendigen Schnittstellen müssen zertifiziert werden. Für die Abrechnung muss ein Leistungskatalog speziell für Deutschland hinterlegt werden. Das Gleiche gilt für das E-Rezept. Dafür haben wir nicht das Geld für die notwendige Manpower. Das ist aus meiner Sicht ein politisches Problem. Die deutsche Politik könnte das, wenn sie wollte. Gerade im internationalen Umfeld sehe ich Korruption als eines der größten Hindernisse für die Verbreitung von freier Software.

Haben Sie sich schon damit beschäftigt, wie viel es konkret kosten würde, die Lizenzen zu bekommen?

Braun: Wir hatten vor einigen Jahren einen Stand auf der Medica mit GNU Health, was an sich schon seltsam war, weil wir die einzige freie Software in diesem kommerziellen Tempel waren. Es kamen auch Leute zu uns, die sich wunderten, warum wir Software frei zur Verfügung stellen. Das war für manche schwer vorstellbar. Ich habe in diesem Zusammenhang auch mit der Gematik gesprochen. Mit der rechten Hand sagt man "Guten Tag" und mit der linken hat man schon eine Rechnung.

Die Gesundheitswirtschaft ist einer der größte Wirtschaftszweige. Haben große Tech-Unternehmen Interesse, ihr Wissen zu teilen?

Hagenbichler: Ja, es ist ja ein ganz anderes System dahinter, wenn man es kommerziell betreibt und noch dazu hauptsächlich von Leuten gestalten lässt, die dann ihren Profit daraus ziehen. Man weiß, dass dann natürlich das Marketing im Vordergrund steht, und zwar viel mehr als jede Forschung dazu. Pfizer ist ein wunderbares Beispiel. Die Marketingbudgets übersteigen die sogenannten wissenschaftlichen Forschungsbudgets bei Pfizer. Das ist auch eines der Unternehmen, die im Jahr 2009 Milliarden in einem Vergleich an Entschädigungen gezahlt haben, weil sie unlautere Marketingmethoden angewandt haben. Das ist zwar schon eine Weile her, aber sicher nicht weniger aktuell, im Gegenteil. Ebenso haben Big-Tech-Firmen wie Google nicht unbedingt Interesse daran, das Wissen zu erweitern und Krankheiten zu erforschen. Sie haben stattdessen das Interesse am geistigen Eigentum der Produkte, um sich möglichst abzuschotten und das Wissen mit niemandem teilen zu müssen. Anschließend werden die Profite eingestrichen.

GNU Health hat auch geistiges Eigentum, weil es ein lizenziertes Warenzeichen ist, aber die Lizenz sagt, dass jeder es benutzen kann. Das heißt, ich darf die Software verändern und anpassen, aber muss sie dann unter einem anderen Namen weiterverteilen, weil es dann nicht mehr GNU Health genannt werden darf.

Google will mit Google Health ebenfalls soziale Medizin ermöglichen. Wie sozial ist das?

Hagenbichler: Google ist einfach einer der großen Tech-Konzerne, die nicht die Gesundheit der Menschen im Auge haben, sondern den Profit. So kann Medizin nicht funktionieren. Das hat man zum Beispiel bei der weltweiten Covid-19-Krise gesehen. Aus meiner Sicht war es vorwiegend der typische kommerzielle Bereich, der nicht zum Wohle der Gesellschaft und der Patienten war. Es gab verschiedene Programme, wo etwa der National Health Service in UK einfach Daten mit Google ausgetauscht hat, ohne die Patienten oder die beteiligten Ärzte darüber zu informieren. Das geht natürlich nicht. Google nimmt dann im Grunde deine Daten, zum Beispiel auch über Fitbit, die sie mittlerweile dazu gekauft haben, und wertet die aus, das ist deren Geschäftsmodell.

Eine Software, die als Open Source entwickelt und veröffentlicht wird, fokussiert eben in erster Linie auf die Bedürfnisse des Nutzers und nicht auf die Profite von Big Tech dahinter. Natürlich müssen Menschen Geld verdienen, um leben zu können, aber ein System darauf aufzubauen, möglichst viel Profit zu machen, ist im Gesundheitswesen völlig falsch. Es würde nämlich bedeuten, möglichst viele Krankheiten zu produzieren, die möglichst teuer behandelt werden. Das ist nicht im Interesse der Patienten.

Wie ist das, wenn eine Firma die Produkte von GNU Health umbaut und weiterverkauft?

Braun: Solange die Copyrights alle mitgehen, ist das in Ordnung. Wir haben das leider schon öfter erlebt, dass die Module mehr oder weniger eins zu eins kopiert werden, die Copyrights hinausfliegen und die Leute das quasi als ihr eigenes Werk verkaufen oder veröffentlichen wollen. Aber dagegen gehen wir vor. Es gab auch schon mehrere Deletion Requests auf Github.

Wie finanziert sich GNU Health?

Braun: In erster Linie durch Spenden und wir haben ein Mitgliedschaftsmodell. Für 120 Euro im Jahr kann man Mitglied bei GNU Solidario werden und die Spende geht eins zu eins in die Entwicklung. Firmen, die mit GNU Health Geschäfte machen, sollten einen Prozentsatz des Umsatzes spenden.

Und wir hätten gerne so etwas wie eine Firmenmitgliedschaft. Also dass die Krankenhäuser, die GNU Health nutzen, die Weiterentwicklung unterstützen. Aber das ist leider wie bei vielen anderen Systemen auch. Sie nutzen gerne die freie Software, aber wenn es dann irgendwie darum geht, die Weiterentwicklung auch finanziell zu unterstützen, dann haben sie alle einen Igel in der Tasche. Es gibt aber auch gute Beispiele, wie das Injury Surveillance System und das Dental-Modul. Beim Injury Surveillance System kann man jeden Befund mit einem Ereignis verknüpfen. Ist jemand nur die Treppe heruntergefallen oder war es ein Raubüberfall, war es ein Verkehrsunfall oder was auch immer. Das Ganze kann man mit Geolokalisierung kartographieren, sodass dann in der Analyse zu sehen ist, wo zum Beispiel die Unfallschwerpunkte in der Stadt sind.

Dieses Injury Surveillance System wurde damals in Jamaika entwickelt und dann wieder in das Projekt zurückgegeben. Das ist eigentlich der Königsweg der Open-Source-Entwicklung, dass man eine Erweiterung macht und diese dann wieder an das Projekt zurückgibt. Das Dentalmodul zum Beispiel ist im Grundkonzept auch in Argentinien an der Universität entstanden, ist dann in den Standard eingeflossen und erweitert worden.

Wie ist der Umgang mit Datensicherheit?

Braun: Wir könnten technisch bis auf Feldebene verschlüsseln. Gerade der Federation Server ist ein Beispiel dafür. Wir können alles verschlüsseln. Wenn Sie aber eine Datenanalyse machen wollen, weil GNU Health auch für Präzisionsmedizin eingesetzt wird, haben wir eine komplette Genomdatenbank hinterlegt. Dort können genetische Dispositionen für einzelne Personen hinterlegt werden. Sobald Datenanalysen über Massen von Patientendaten gemacht werden soll, dann geht das natürlich nicht, wenn alles verschlüsselt ist. Letztlich kommt es darauf an, wie das System aufgebaut ist.

Braun: Technisch gesehen haben wir eine dreistufige Client/Server-Architektur. Wir haben eine Datenbank, meistens PostgreSQL, die darunter liegt. Dann haben wir den Server und wir haben den Client. Und als Client haben wir einmal den GTK-Client – ein freies GUI-Toolkit – oder einen Web-Client mit etwas abgespeckter Funktionalität. Bei den Berechtigungen haben wir ein rollenbasiertes Berechtigungsmodell, sodass zum Beispiel der Front-Desk, der nur die Termine macht, nicht unbedingt die Befunde der einzelnen Patienten sehen kann und so weiter.

Gibt es auch die Möglichkeit, Daten mit einem Analyse-Tool auszuwerten?

Braun: Alle sozioökonomischen Determinanten der Gesundheit können erfasst werden. GNU Health setzt an, bevor ein Mensch zum Patienten wird. Der Mensch wird zunächst als Individuum in seinem Umfeld betrachtet – zum Beispiel in seinem familiären Kontext, seiner Wohnumgebung oder ähnlichem. Die Erweiterung besteht darin, auch die Daten zu nutzen, wenn er ins Krankenhaus kommt.

Braun: Aufgrund der sozioökonomischen Daten haben wir eben auch die Möglichkeit, zum Beispiel Kontakte zu verfolgen. In Ländern, in denen das relevant ist, sogenannte "vernachlässigte tropische Krankheiten" wie Chagas oder Dengue-Fieber. Wenn es zu einem Ausbruch kommt, können wir über die Kontaktbeziehungen die Menschen proaktiv vor solchen Dingen warnen oder Impfkampagnen starten und Ähnliches. Das hat zum Beispiel in Argentinien bei Corona gut funktioniert. Die Argentinier haben sich ein Frontend gemacht, wo sie die ganzen Corona-spezifischen Daten leichter eingeben können und haben dann das Kontakttracking in GNU Health gemacht, während man in Deutschland lange gekämpft hat, überhaupt irgendwelche Corona-Apps zu bauen. Und das Ganze mit einem Budget, von dem man bei einem Projekt wie GNU Health eigentlich nur träumen kann.

Transparenzhinweis: heise online ist Medienpartner der GNU-Health-Konferenz.

(mack)