Lichtsammelnde Quantenpunkte

Ein neuer Nanochip soll hochauflösende Nachtsichtgeräte und verbesserte bildgebende Verfahren in der Medizin möglich machen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Katherine Bourzac
  • Niels Boeing

Ein großes Ziel der Nanoelektronik sind Chips, deren Komponenten sich wie von selbst fertigen. Ein Forscherteam um den Elektronikingenieur Edward Sargent von der Universtiy of Toronto hat dies in Teilen geschafft: Sie konstruierten einen hochsensiblen Infrarotdetektor-Chip, der auf einem Überzug aus Nanopartikeln basiert und im militärischen Bereich oder in der Medizin eingesetzt werden könnte.

Der Halbleiter mit Nanoüberzug soll ein Detektormodul ergeben, das eine deutlich verbesserte Empfindlichkeit besitzt und wesentlich billiger zu produzieren ist. Es fängt kurzwellige Infrarotstrahlung auf, auch SWIR genannt (für „Short Wave Infrared“). SWIR-Licht ist auch nachts reichlich vorhanden, ganz gleich wie bedeckt oder mondlos es ist. Konventionelle Nachtsichtgeräte, die letztlich nur das Sternenlicht und nahes Infrarot verstärken, sind unter diesen Bedingungen nicht sehr effizient.

Aber nicht nur in der Nacht hilft die SWIR-Erkennung – würde man sie in neuen bildgebenden Verfahren der Medizin verwenden, ließen sich besonders gute Bilder erzielen, weil SWIR Gewebe leicht durchdringt. Unbehandeltes Silizium absorbiert diese Infrarotart aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge von ein bis zwei Mikrometern allerdings nicht – die notwendigen Spezialhalbleiter sind dagegen viel zu teuer.

Derzeit verfügbare SWIR-Detektoren mit hoher Präzision bestehen aus zwei verbundenen Chips: Der eine dient zur Infrarot-Aufnahme selbst und besteht aus einer dreiatomigen Kombination aus Indium-Gallium-Arsenid (InGaAs), der andere wird aus Siliziumkristallen hergestellt. Solche Detektoren sind vor allem deshalb so teuer, weil zwischen den beiden Chips rund 100.000 Metallverbindungen gezogen werden müssen, was große Ausrichtungsprobleme verursacht. "Die Chipausbeute ist deshalb sehr gering. Und dafür zahlt man dann viel Geld", sagt Edward Sargent.

Der SWIR-Chip des kanadischen Forschers setzt hingegen auf ein Verfahren, bei dem eine Lösung auf eine leitende Oberfläche aufgebracht wird. Ein Tropfen dieser Lösung enthält enorm kleine Halbleiterpartikel, die so genannten Quantenpunkte. Diese Kristallen sind nur einige Nanometer groß. Mit denen wird der Chip dann im Spin-Coating-Verfahren überzogen: Die Lösung wird auf den sich drehenden Chip gegeben und verteilt sich aufgrund der Fliehkraft auf dem Substrat. Anschließend wird er getrocknet und chemisch behandelt.

Das Ergebnis ist eine gleichmäßige hauchdünne Schicht aus Quantenpunkten. Sargents Lösung besteht aus Bleisulfid-Nanopartikeln und einem öligen Molekül, das verhindert, dass diese verklumpen. Als Substrat für den Detektor dient dabei eine Glasoberfläche, die Elektrodenstreifen aus Gold enthält. Die Technik soll aber auch mit Siliziumchips funktionieren.

John Joannopoulos, Direktor am MIT Institute for Soldier Nanotechnology, sieht in Sargents Ansatz eine Brückentechnologie zwischen teuren Hochpräzisionsdetektoren und herkömmlichen Komponenten mit geringer Effizienz. Darüber hinaus zeige Sargents Chip eine zehn Mal höhere Empfindlichkeit als InGaAs-Chips bei gleich starkem Pegel. „Bei niedrigen Lichtleistungen ist der neue Detektor sehr gut“, sagt Reinhard Carius, Physiker am Forschungszentrum Jülich und Experte für Photosensorik. Bei höheren Leistungen verhalte er sich allerdings extrem nichtlinear.

Quantenpunkte können zudem genau an bestimmte Wellenlängen angepasst werde, wie in diesem Fall an infrarotes Licht. Je nach Größe ändert sich nämlich die so genannte Bandlücke in der Elektronenstruktur, die bestimmt, welche Wellenlänge absorbiert werden kann. „Dieses Band-Gap-Tuning macht Quantenpunkte für Lichtsensoren gerade interessant“, sagt Carius.

Das kanadische Team nutzte zudem Signalgewinne durch die so genannte Fotoleitung: Obwohl jedes Lichtquant, das den Chip trifft, jeweils nur ein Elektron anregen kann, lassen die Forscher es mehrmals durch die Komponente laufen, bis seine Energie verbraucht ist. Dadurch steigt die anliegende Stromstärke.

Aktuelle Infrarotkameras mit InGaAs-Chiptechnik kosten derzeit zwischen 40.000 und 60.000 Dollar. Sargent glaubt, sie mit seiner Technik deutlich verbilligen zu können. Die Kosten einer Quantenpunktbeschichtung sollen bei gerade einmal 17 Dollar pro Quadratmeter liegen. Geht Sargents Technik in die Massenproduktion, könnte sie gar in ganz gewöhnlichen Endkundenkameras mit Infrarotmodus landen - zum heutigen Preis.

In der Medizintechnik ist man aufgrund dieser potenziellen Wirtschaftlichkeit ebenfalls hellhörig geworden. Bildgebende Verfahren, die das infrarote Spektrum nutzen, könnten mit dem SWIR-Chip mehrere Zentimeter tief in die Haut vordringen. So könnte man Infrarot als Röntgenersatz verwenden, glauben Forscher Moungi Bawendi vom MIT oder John Frangioni von der Universität Harvard. Dort hat man kürzlich einen Infrarot-Sensor entwickelt, mit dem man Krebszellen während einer Operation feststellen kann. Das Praktische dabei: Infrarotstrahlen haben eine geringere Energie als sichtbares Licht - eine Gefahr für medizinisches Personal und Patienten besteht nicht. So ließe sich mit einem SWIR-Chip "live" sicherstellen, dass ein Arzt auch tatsächlich alle Wucherungen entfernt hat. Die bisherigen Prototypen setzen laut Sargent noch auf nahes Infrarot, mit SWIR-Licht ergäbe sich nochmals eine deutlich bessere Auflösung.

Was die Nutzung in Nachtsichtgeräten anbetrifft, so ließe sich Sargents SWIR-Chip wohl zum gleichen Preis einbauen wie heutige Detektoren. Der Forscher sieht weder höhere Produktionskosten noch zusätzliche Energieanforderungen. Die InGaAs-Technik lässt sich hingegen nur für Spezialanwendungen verwenden, weil sie zu teuer ist und zu viel Energie benötigt. Peter Peumans, Stanford-Dozent für Elektrotechnik, ist sich sicher, dass der SWIR-Chip eines beweise: "Die Nanotechnik erweitert die Leistungsfähigkeit bestehender Technologien enorm."

Mitarbeit: Ben Schwan. (nbo)