Zahlen, bitte! – 216 websichere Farben für Einheitlichkeit im Browser

Die websichere Palette sollte in den Pioniertagen des Internets die Farbdarstellung verschiedener Browser vereinheitlichen. Das war aber nicht unumstritten.

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Inhaltsverzeichnis

Heutzutage können Websites aus allen erdenklichen Farben und uneingeschränkt gestaltet werden. Das war nicht immer so: In den 1990er-Jahren waren Rechner üblicherweise auf den VGA-Modus beschränkt, der höchstens 256 Farben gleichzeitig darstellen konnte.

Diese Farbbeschränkung begünstigte Darstellungsfehler. Um Websites auf verschiedenen Systemen einheitlich darstellen zu können, kam die Idee auf, websichere Standardfarben zu definieren, um auf verschiedenen Rechnern eine Website identisch darstellen zu können.

Als 1991 das World Wide Web aufkam, war die Darstellung von Websites noch sehr spartanisch gehalten: Wichtig war der Text. Die ersten Versionen der Browserprogrammiersprache HTML boten nur wenige Möglichkeiten, die Homepage optisch aufzupeppen. Mit der Zeit allerdings wuchsen die Anforderungen an die grafische Gestaltung. Neue Browser wie der Netscape Navigator oder der Microsoft Internet Explorer kamen auf und boten zusammen mit einer Weiterentwicklung des HTML neue Möglichkeiten der grafischen Website-Darstellungen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Das Problem war allerdings die grafischen Fähigkeiten: Mitte der 1990er war noch 8-Bit-Grafikdarstellung üblich. Die Rechner konnten zumeist höchstens in der VGA-Darstellung 256 Farben gleichzeitig aus einer Palette von 262.144 Farben darstellen. Verschiedene Systeme, Monitore und Grafikkarten konnten die angegebenen Farben unterschiedlich ausgeben.

Für Webdesigner war es schwierig: Welche Palette verwendet man, die auf verschiedenen Betriebssystemen und unterschiedlichen Browsern identisch angezeigt werden kann? Webdesign-Pionierin Lynda Weinman schlug 1995 eine einheitliche Palette websicherer Farben vor, um die Darstellung auf verschiedensten Systemen zu vereinheitlichen und Darstellungsfehler etwa zwischen Buttons und Hintergrund zu vermeiden.

Die Tabelle der 216 websicheren Farben inklusive RGB-Hex-Wert in der Kurzform für CSS.

Die Werte der einzelnen Farbkanäle für RGB sollten in Hexadezimalform (von 0 bis FF) im Wert eine Null enthalten oder durch 51 dezimal (sowie 33 hexadezimal) teilbar sein. Die Palette orientierte sich an Macintosh und Microsoft Windows und war so konzipiert, dass sie in allen unterstützen Browsern und Monitoren identische Ergebnisse liefern sollte.

Die Zahl der nutzbaren Farben begrenzte sich auf sechs pro Kanal und die Farbtönungen jeder Grundfarbe des Bildschirms: Rot, Grün und Blau (RGB) ergaben 6 × 6 × 6 = 63 = 216 darstellbare Farben. Alle 40 weiteren Farben waren für das jeweilige Betriebssystem vorgesehen. Damit war die generische Palette geschaffen, die in Browser wie Internet-Explorer oder Netscape Navigator Einzug hielt und ein fester Paletten-Bestandteil der Bildbearbeitung Photoshop wurde.

Allerdings war die Palette nicht unumstritten. Die Webdesigner David Lehn und Hadley Stern sahen die Rolle der websicheren Farben kritisch.
Sie schrieben über die Rolle der websicheren Farben:
"Eines der Grundprinzipien des Webdesigns, die heiligste aller heiligen Wahrheiten, ist die Unantastbarkeit der 216 websicheren Farben. Es ist ein Initiationsritus für jeden Webdesigner oder -entwickler: Verwende nur diese Farben, wird uns gesagt, und hinterfrage nicht, warum."

Lehn und Stern gingen der Sache auf den Grund. Beide testeten im Jahr 2000, ob die angeblich websicheren Farben die an sie gestellten die Erwartungen erfüllen. Sie nutzten als Testumgebung verschiedene Windows- und Macintosh-Rechner mit unterschiedlichen Grafikkarten von 8 bis 24 Bit Farbtiefe. Als Browser kamen der Internet Explorer 4 sowie 5 sowie Netscape Navigator 3 bis 6 zum Einsatz.

Zum Test erstellten sie zu jeder Farbe eine Website mit einem 60 × 60 Pixel großen GIF, dessen Farbe identisch zum Hintergrund sein sollte. Wenn das GIF sich sichtbar vom Hintergrund abhob, dann bedeutete es, dass die Farbe nicht websicher war. In der 8-Bit-Darstellung waren nur vier Farben nicht websicher, bei 16-Bit-High-Color-Farbtiefe (65.536 Farben) waren die Darstellungsfehler so häufig, dass nur noch 22 Farben als wirklich websicher galten. Einzig unter 24-Bit-Grafikdarstellung gab es keinerlei Probleme, was auch verwundert hätte, da das System ja die volle Palette gleichzeitig darstellen konnte.

Beide Entwickler tauften die wirklich sicheren Farben als "schreckliche 22", da es keine schöne Palette war und sie den Spielraum für grafische Darstellungen arg einengten. Überhaupt war bereits zu dem Zeitpunkt die Notwendigkeit nicht mehr so akut: Grafikkarten mit hoher Farbtiefe wurden immer bezahlbarer und so entwickelten sich Systeme mit 24 oder 32 Bit mehr und mehr zum Standard.

Die websicheren Farben bekamen nur noch einmal Relevanz: Als erste mobile Geräte mit Internetfähigkeiten auf den Markt kamen, waren die grafischen Leistungen noch begrenzt und die Palette sinnvoll. Der technische Fortschritt, der zu Smartphones mit knackscharfen True-Color-Displays führte, fegte auch hier die Notwendigkeit einer eingeschränkten Farbpalette weg.

Heutzutage spielen die websicheren Farben kaum noch eine Rolle und sind für Viele nur noch ein veraltetes Relikt aus den Wild-West-Tagen des WWW-Internets. Sie können einem allerdings noch als hübsch angeordnete Farbtabelle etwa in Photoshop begegnen.

(mawi)