Kommentar: Dank EU zum besseren iPhone

App-Läden, bessere Browser, offenes NFC: Die von Apple widerwillig umgesetzten Änderungen machen das iPhone letztlich attraktiver, meint Leo Becker.

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Ein iPhone auf der Verpackung

(Bild: Sebastian Trepesch)

Lesezeit: 3 Min.

Und dann ging es plötzlich ganz schnell: Ab März können iPhone-Nutzer in EU-Ländern Apps aus anderen Läden als nur dem abgeschotteten App Store beziehen. Was all die Jahre unvorstellbar war, wird mit iOS 17.4 Realität. Anstatt das iPhone unter Eigenregie in eine offenere Plattform zu verwandeln, hat Apple sich so lange und vehement dagegen gestemmt, bis Regulierer wirklich die Schnauze voll hatten. Jetzt sitzt die EU-Kommission quasi mit im iOS-Entwicklungsteam und gibt die Regeln vor.

Die jetzt erstmals greifbare Konkurrenz durch andere App-Marktplätze, zeigt unmittelbar ihre Wirkung: Apple macht parallel den eigenen App Store attraktiver und lockert umstrittene Regeln, Cloud-Gaming-Dienste und der Vertrieb von Mini-Apps sind plötzlich zulässig. Von solchen Neuerungen profitieren auch Nutzer, die mit der schönen neuen App-Laden-Welt gar nichts zu tun haben wollen und ihr iPhone weiter nur mit Software aus Apples kontrolliertem App Store füttern.

Ich freue mich jedenfalls auf frischen App-Wind für das iPhone: Apps wie Emulatoren und Virtualisierer, die sich bislang nur über nervende Workarounds installieren lassen, sind damit plötzlich bequem möglich. Und dass Apple nicht länger allein darüber entscheiden kann, welche Inhalte zulässig und welche unliebsam sind, ist ein klarer Pluspunkt.

Dass jetzt auch andere richtige Browser auf das iPhone dürfen und Apple die wichtige NFC-Schnittstelle nicht mehr künstlich limitieren darf, ist ebenso erfreulich wie überfällig. Und ja, natürlich mag mehr Offenheit auch unbequeme Konsequenzen haben: Wenn meine Bank aus Apple Pay ausschert, um mich in eine eigene holprige NFC-App zu zwingen, dann muss ich in letzter Konsequenz eben die Bank wechseln. Dass andere Firmen spezifisch Interoperabilität für ihre Hardware und Software anfragen können, lässt mich jedenfalls schon von besser in iOS integrierten Accessoires wie Smartwatches träumen.

Zwar malt Apple den Teufel an die Wand, aber iOS bleibt auch in Europa weit entfernt von einer völlig unkontrollierten Software-Plattform. Weiterhin laufen alle iPhone-Apps durch Apples Hände, werden automatisiert geprüft und bei Schad-Software lässt sich der Stecker ziehen. Auch auf die vertrauten Sicherheits- und Datenschutzfunktionen muss niemand verzichten. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass sich das iPhone jetzt – der EU sei Dank – dem offenen macOS annähert, nachdem gerade Mac-Nutzer jahrelang gefürchtet haben, dass Apple den Computer zu einer iPhone-Konsole verkrüppeln könnte.

Wer auf völlig freies Sideloading spekuliert hat, wird allerdings bitter enttäuscht: Auch mit den Änderungen soll es iOS-Apps nur in App-Läden geben und die Hürden zur Eröffnung eines solchen alternativen App-Marktplatzes sind extrem hoch.

Eine größere Diskussion hat zudem Apples neues Gebührenmodell mit einer nach App-Installationen berechneten "Core Technology Fee" entfacht, das beim alternativen App-Vertrieb zwangsläufig greift. Ein ähnliches Modell musste die Spiele-Engine Unity jüngst nach Entwicklerprotesten wieder einstampfen. Der durch die EU vorgeschriebenen Öffnung der In-App-Kaufschnittstelle kommt Apple zwar auf dem Papier nach, verlangt aber weiterhin Provision – auch für dann im Web getätigte Einkäufe. Hier sind die Regulierer jetzt erneut gefragt.

(lbe)