IP-Adressen: Hessen drängt auf einmonatige Vorratsdatenspeicherung

Die hessische Regierung will via Bundesrat durchsetzen, dass IP-Adressen anlasslos vorgehalten und auch bei minderschwerer Kriminalität genutzt werden dürfen.

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Vorratsdatenspeicherung

Hessen drängt auf Vorratsdatenspeicherung.

(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Die schwarz-rote Regierung in Hessen macht Ernst mit ihrem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, eine Pflicht zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von IP-Adressen über den Bundesrat einzuführen. Ministerpräsident Boris Rhein und Justizminister Christian Heinz (beide CDU) haben am Freitag eine entsprechende Initiative vorgestellt. Provider sollen demnach die Internetkennungen einen Monat lang anlasslos aufbewahren. Strafverfolger und Gefahrenabwehrbehörden wie das Landesamt für Verfassungsschutz sollen darauf vor allem zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und Terrorismus zugreifen können. Doch auch für die Verfolgung minderschwerer Straftaten sieht der Entwurf eine Handhabe vor.

Die Ampel-Koalition im Bund hat sich prinzipiell auf einen Quick-Freeze-Ansatz zum Einfrieren von Verbindungs- und Standortdaten zur Strafverfolgung nur im Verdachtsfall geeinigt. Die aus Hessen stammende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) macht sich aber weiter dafür stark, IP-Adressen auf Vorrat zu speichern. Dafür erhält sie nun Rückendeckung aus ihrer Heimat. So betonten Rhein und Heinz, dass das Quick-Freeze-Verfahren bei Weitem nicht ausreichend sei. "Es geht um Kinderschutz im Netz", hob der Ministerpräsident hervor. "Ohne die von uns beabsichtigte IP-Adressdatenspeicherung ist eine Strafverfolgung vor allem von Kinderpornografie, aber auch von Hate Speech sehr oft nicht möglich." Der Gedanke daran, viele Täter wie Kinderschänder nicht fassen zu können, "weil wir keine IP-Adressen speichern dürfen, ist für mich unerträglich. Datenschutz darf kein Täterschutz sein."

Mit dem vierwöchigen Speicherzeitraum trage man dem Umstand Rechnung, "dass die IP-Adresse einer zur Tatbegehung genutzten Internetverbindung regelmäßig der einzige vorliegende Ermittlungsansatz zur Identifizierung des unbekannten Täters sein kann", ergänzte Heinz. Da gerade auch "Menschen aus der Mitte der Gesellschaft" von allgemeiner Internetkriminalität wie Hasspostings, Mordaufrufen, Volksverhetzungen, Cyberangriffen und Computerbetrügereien betroffen seien, sollten die gespeicherten IP-Adressen auch weiterhin durch Zugangsanbieter mithilfe der Bestandsdatenauskunft "zur internen Zuordnung und zur Übermittlung von Anschlussinhabern genutzt werden können".

Dabei gehe es darum, den mit der mitgeteilten IP-Adresse verknüpften Abschlussinhaber zu identifizieren und anschließend ausschließlich die entsprechenden Personendaten an die Strafverfolgungsbehörden herauszugeben, erläutert das hessische Justizministerium in einem "Faktenblatt". Diese Unterscheidung zwischen Herausgabe aller gespeicherter IP-Adressen einerseits und lediglich punktuellem internem Zugriff der Provider andererseits habe auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt und festgehalten, dass bei einer Zuordnung von IP-Adressen durch anlasslos gespeicherte Verkehrsdaten verfassungsrechtlich nicht die für die unmittelbare Verwendung der Gesamtheit der vorsorglich gespeicherten Verbindungs- und Standortdaten geltenden besonders strengen Voraussetzungen gegeben sein müssen.

Auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hält das Ressort den Anlauf vereinbar. Die Luxemburger Richter haben prinzipiell wiederholt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung verworfen. Das allgemeine und unterschiedslose Aufbewahren von IP-Adressen kann neueren EuGH-Urteilen zufolge aber "zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum" zulässig sein. Hessens Justizministerium bezeichnet den Speicherzeitraum von einem Monat nun als "Ergebnis einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH". Unter anderem der SPD-nahe netzpolitische Verein D64 hält dagegen: Eine Vielzahl von Internet-Straftaten finde kontenbasiert statt. Da die Täter wiederholt die gleichen Accounts nutzten, sei keine präventive Speicherung nötig. Es genüge, die IP-Adresse bei der nächsten Anmeldung auf richterliche Anordnung hin per Login-Falle auszuleiten, um eine Identifizierung durchzuführen.

(nie)