Informationsfreiheit: Behörden dürfen Anschrift eines Antragstellers abfragen

Behörden, die IFG-Anfragen bearbeiten, dürfen die Postanschrift von Antragstellern verarbeiten, entschied das Bundesverwaltungsgericht.

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Axt am IFG

Die Axt des Bundesverwaltungsgerichts schlägt ans Informationsfreiheitsgesetz, meint fragdenstaat.de.

(Bild: fragdenstaat.de)

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Inhaltsverzeichnis

Im Streit über anonyme Auskunftersuchen zwischen der Plattform fragdenstaat.de und dem Bundesinnenministerium (BMI) gibt es eine neue Wendung. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass es zulässig ist, die Postanschrift einer Person zu verarbeiten, die eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stellt (BVerwG 6 C 8.22).

"Nach dem Informationsfreiheitsgesetz sind anonyme Anträge unzulässig", schreiben die Leipziger Richter. Deshalb müsse die Behörde den Namen und auch die Anschrift des Antragstellers kennen. Das BMI habe sich "ermessensfehlerfrei" für die Schriftform und die Bekanntgabe per Post entscheiden, obwohl der Antragsteller einen elektronischen Zugang gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet hatte. Ein Antragsteller müsse es hinnehmen, dass die Behörde trotz eines eröffneten elektronischen Zugangs mit ihm auf dem Postweg kommuniziert.

fragdenstaat.de wird von der Open Knowledge Foundation Deutschland betrieben. Sie will es seit 2011 Nutzern erleichtern, ihr Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen wahrzunehmen. Von dort heißt es nun, das Bundesverwaltungsgericht habe mit seinem Urteil "einen Grundpfeiler des Informationszugangs" entfernt. "Die neue Regelung dürfte zahlreiche Menschen davon abschrecken, Anfragen an Behörden zu richten", kommentiert fragdenstaat.de. "Gerade marginalisierte Gruppen möchten verständlicherweise nicht für Anfragen nach Informationen ihre privaten Adressen herausgeben. Das Gericht ignoriert dies komplett."

Selbst wenn es Behörden über fragsenstaat.de einfach möglich sei, per E-Mail zu antworten, müssten es Menschen nun hinnehmen, dass "die Behörde trotz eines eröffneten elektronischen Zugangs mit ihm auf dem Postweg kommuniziert". Dabei werde allerorts über die Digitalisierung der Verwaltung gesprochen.

In der Vorinstanz hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in dem Streit, der zwischen dem BMI und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Ulrich Kelber ausgetragen wurde, noch anders entschieden. Die Postanschrift zu erheben sei für das BMI nicht erforderlich gewesen, als es die Daten verarbeitete, begründet das OVG seine Entscheidung. Es gehe nicht aus dem IFG, auch nicht aus den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts hervor, dass zu einem IFG-Antrag immer die Postanschrift angegeben werden müsse. Es gebe in diesem Einzelfall auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Datenerhebung erforderlich gewesen sei.

Anlass für den Rechtsstreit war ein IFG-Auskunfsantrag eines Bürgers, den dieser über fragdenstaat.de mit einer dort generierten, nicht personalisierten E-Mail-Adresse beim BMI gestellt hatte. Das BMI forderte ihn dann dazu auf, seine Postanschrift mitzuteilen, sonst könne das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Daraufhin sprach Kelber dem BMI eine datenschutzrechtliche Verwarnung aus. Das BMI klagte dagegen, das Verwaltungsgericht Köln gab dem Ministerium Recht. Kelber wiederum hatte vor dem OVG mit seiner Berufung Erfolg.

Das nun ergangene Urteil sollte nach Meinung von fragdenstaat.de ein "Weckruf für den Gesetzgeber sein, endlich ein Transparenzgesetz zu schaffen, das seinen Namen verdient". Die Ampel-Koalition verspreche seit Jahren einen Gesetzentwurf, der dieses Jahr endlich kommen soll. Er müsse sicherstellen, dass Anträge auf Informationen auch pseudonym möglich sind.

fragdenstaat.de will sein Vorgehen planen, wenn das Urteil veröffentlicht wurde. "Unser Ziel ist es sicherzustellen, dass der Zugang zu Informationen allen Menschen zugutekommt. Dazu werden wir unsere Plattform erweitern und, wo möglich, klagen."

Die FDP hatte im März 2021 in den Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem sie unter anderem fordert, "das Informationsfreiheitsgesetz zu einem echten Bundestransparenzgesetz nach Vorbild des Hamburger Transparenzgesetzes (HmbTG) weiterzuentwickeln und dabei einen besonderen Fokus auf maschinelle Lesbarkeit der Daten zu legen". Der Antrag wurde vom Bundestag abgelehnt. Die Grünen unterstützen die Forderung von fragdenstaat.de nach einem Bundestransparenzgesetz. Der auch von der SPD unterschriebene Koalitionsvertrag enthält den Passus: "Die Informationsfreiheitsgesetze werden wir zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln."

(anw)