Liefern Zebrafische Puzzleteile für das Verständnis von Intelligenz?

Wissenschaftler erkunden die neuronale Basis komplexen Verhaltens. Die Erkenntnisse könnten auch der KI-Forschung nutzen.

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(Bild: Photo by Ali Shah Lakhani on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Honey

Tiere wie Fruchtfliegen oder Zebrafische galten bislang als vergleichsweise einfache Reiz-Reaktions-Maschinen, die auf bestimmte Umgebungsreize mit festen Verhaltensweisen reagieren. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben jedoch Belege dafür gefunden, dass es in den Gehirnen dieser Tiere verblüffend langlebige interne Zustände gibt, die das Verhalten steuern. Das könnte nicht nur die erstaunliche Flexibilität biologischer Gehirne erklären, sondern auch der KI-Forschung weiter helfen, berichtet Technology Review in seiner Dezember-Ausgabe (am Kiosk oder online bestellbar).

Biologische Gehirne sind stark rückgekoppelte Netzwerke, die es zwar erlauben, sehr komplexe Reiz-Reaktions-Schemata zu entwickeln. Allerdings ist die Zahl möglicher Schemata auch astronomisch groß. Drew Robson und Jennifer Li vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen vermuten, dass interne Zustände das Verhalten in bestimmte Korridore lenken – und damit ein Weg sein könnten, um die Komplexität des Problems drastisch zu reduzieren.

Robson und Li untersuchen Aufnahmen der Hirnaktivität von Fischlarven. Mit Hilfe fluoreszierender Neuronen konnten sie zeigen, dass sich die Muster der Hirnaktivität der Larven bei Erkundung und Jagd systematisch unterscheiden. Außerdem konnten sie eine Gruppe von Nervenzellen im Zentrum des Fischgehirns identifizieren, die aktiv war, solange die Tiere im Jagdmodus waren – und zwar auch dann, wenn gerade keine Beute in der Nähe war. Die Larven hörten erst mit der Jagd auf, wenn die Zellengruppe nicht mehr aktiv war und wechselten zurück in den Erkundungsmodus, der mit einem eigenen anhaltenden Aktivitätsmuster im Gehirn einherging.

TR 12/2020

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 12/2020 der Technology Review. Das Heft ist ab 5.11. 2020 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

KI-Pionier Jürgen Schmidhuber, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für künstliche Intelligenz in Lugano sieht darin Parallelen zur Funktion bestimmter neuronaler Netze. "Es gibt schon längst künstliche neuronale Netze, die zwischen verschiedenen Aktivitätszuständen hin und her wechseln können", sagt er. "Jüngere Beispiele sind die künstlichen Videospieler für Dota von OpenAI und für Starcraft von DeepMind." In vielen Millionen Spielen lernten diese Algorithmen, verschiedene Agenten in Strategie-Videospielen zu steuern – teilweise auf dem Niveau von Menschen.

"Der Fortschritt der KI bei Strategiespielen wie Starcraft ist bemerkenswert", hält Robson dagegen. "Aber es ist ebenso bemerkenswert, dass menschliche Spieler konkurrenzfähig sind, ohne Millionen von Spielen gespielt zu haben." Die Evolution habe biologische neuronale Netze für das Überleben über Millionen von Jahren optimiert. "Dabei ist aber nicht einfach die Zahl der Neuronen gewachsen, sondern auch deren sorgfältige Abstimmung und Spezialisierung", sagt Robson. Interne Zustände könnten bei dieser Feinabstimmung eine zentrale Rolle spielen.

(bsc)