Microtargeting & Transparenz: So wird die EU politische Werbung regulieren​

Für ein breites Verbot interessenbasierter politischer Werbung hat es auf EU-Ebene nicht gereicht. Die Browser-Einstellung "Do not Track" ist zu respektieren.​

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(Bild: Svetlana Turchenick/Shutterstock.com)

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Verhandlungsführer des EU-Parlaments, des Ministerrats und der Kommission haben sich am Montagabend auf neue Regeln zu Transparenz bei politischer Werbung geeinigt. Zu einem breiten Verbot von Microtargeting, bei dem die Interessen der Nutzer ausgeforscht und Nachrichten auf sie zugeschnitten werden, konnten sich die Gesetzgebungsgremien im Rahmen der seit 2021 geplanten Verordnung nicht durchringen. Diensteanbieter dürfen politische Werbung aber nicht aufgrund von persönlichen Profilen gezielt ausspielen, die mit sensiblen Informationen etwa über die politische Einstellung, sexuelle Orientierung, Religion, Gesundheit oder ethnische Herkunft zusammengestellt wurden. Dies soll etwa auch für Daten gelten, die beim Liken von Beiträgen oder anderen Interaktionen in sozialen Medien entstehen.

Prinzipiell findet sich ein solches Verbot schon im Digital Services Act (DSA). Neu ist unter anderem, dass politische Werbung nicht mehr zielgerichtet Personen angezeigt werden darf, wenn diese nicht spätestens in 12 Monaten das Wahlalter erreichen. Die Abgeordneten wollten beim Einschränken von Targeting weitergehen, konnten sich damit aber nicht gegenüber den Mitgliedsstaaten durchsetzen. Die schon nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erforderliche Einwilligung bleibt Voraussetzung dafür, politische Werbung ohne die ausgenommenen Informationen an der individuellen Situation des Nutzers und seines Online-Verhaltens ausrichten zu dürfen.

Verweigert eine Person die Zustimmung zur Datenverarbeitung durch automatisierte Signale wie die Browser-Funktion "Do not Track", ist dies ohne lästige Nachfragen zu respektieren. Das Parlament konnte auch erreichen, dass die Einwilligung in gezielte politische Reklame nicht mit sogenannten Cookie- oder Tracking-Walls zur Bedingung für die Nutzung von Internetportalen gemacht werden darf. Es muss also für solche Aspiranten eine andere Möglichkeit geben, den jeweiligen Dienst ohne politisches Targeting zu nutzen. Ferner soll 24 Monate nach dem Inkrafttreten der Vorgaben eine europäische Datenbank für politische Online-Werbung aufgebaut werden, um für mehr Transparenz zu sorgen und über ein siebenjähriges Archiv die Erforschung von Desinformation zu erleichtern.

Um die Einmischung von außereuropäischen Akteuren in demokratische Prozesse auf dem alten Kontinent zu verhindern, gelang es den Abgeordneten, ein Verbot für Organisationen aus Drittstaaten einzuführen: Sie dürfen drei Monate vor einer Wahl oder einem Referendum keine politische Werbung in der EU schalten. Die Verordnung wird nur für bezahlte politische Werbung gelten. Der Ausdruck persönlicher Ansichten und politischer Meinungen, journalistische Inhalte oder allgemeine Mitteilungen offizieller Organisationen fallen nicht in ihren Geltungsbereich. Auch gängige, nicht gekaufte Social-Media-Beiträge von Politikern bleiben außen vor. Prinzipiell muss politische Werbung deutlich gekennzeichnet werden. Klar werden soll, wer eine Anzeige von wo aus finanziert, wie hoch der gezahlte Betrag ist und woher die Finanzierung stammt.

Einigen Abgeordneten geht der Kompromiss nicht weit genug: "Alle nicht sensiblen Daten dürfen weiter genutzt werden, um widersprüchliche Botschaften an unterschiedliche Gruppen auszuspielen", moniert Alexandra Geese, die für die Grünen mitverhandelt hat. "Wir machen Wahlwerbung in Europa ehrlicher, schaffen aber immer noch keine gemeinsame Öffentlichkeit." Der Kern der Verordnung gelte zudem erst 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung. Dadurch habe die EU das Ziel verfehlt, die Europawahl 2024 besser zu schützen. Patrick Breyer (Piratenpartei) bezeichnete die Targeting-Regeln als Farce: "Die digitale Manipulation von Wahlen im Stil von Cambridge Analytica, gezielte Desinformation vor Volksabstimmungen wie dem Brexit, widersprüchliche Wahlversprechen an unterschiedliche Wählergruppen à la FDP – all das bleibt zulässig." Bestenfalls habe das Parlament "das Anfang vom Ende lästiger Cookie-Banner" eingeläutet. Die Abgeordneten und der Rat müssen den ausgehandelten Text noch in Plenarsitzungen bestätigen.

(mki)