Dünner Pulli wärmt wie dicke Daunenjacke

Ein poröses Aerogel mit flexibler Hülle taugt als Strickgarn für wärmeisolierende Textilien.

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Arktisches Meereis

(Bild: isabel kendzior/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Wer sich bei ungemütlichem Winterwetter ein Eisbärenfell auf die Haut wünscht, dem könnte womöglich geholfen werden – mit einer neuen Materialkombination aus einem Labor der Zhejiang University in Hangzhou, China. Dort haben Forschende ein Garn entwickelt, das Eisbärhaaren ähnelt, aber lange nicht so dick aufträgt, wenn man etwa einen Pulli daraus strickt. Das berichteten die Forschenden kürzlich im Fachblatt "Science".

"Die Haare eines Eisbärenfells haben einen porösen Kern, der mit einer dichten Schale ummantelt ist. Diese Struktur hält die Tiere selbst bei minus 40 Grad Celsius warm und trocken, ist aber relativ leicht", sagt Bai Hao, einer der Autoren. Die Hülle sei rund 20 Mikrometer dick, was fast einem Viertel des Haardurchmessers des Bären entspreche.

Der poröse Kern des neuen Garns ist ein Aerogel, das zu 90 Prozent aus Luft und zu zehn Prozent aus Chitosan besteht. Chitosan ist ein bekannter Biokunststoff, dessen Rohstoff Chitin etwa aus Garnelenabfällen gewonnen werden kann. Auch Aerogele an sich sind keine neue Erfindung und ihre wärmeisolierenden Eigenschaften schon seit fast 100 Jahren bekannt. In der Raumfahrt und in der Baubranche kommen sie längst zum Einsatz. Doch Versuche, Aerogele für Textilien zu nutzen, scheiterten bisher. Pure Aerogelfasern seien zum Stricken oder Weben schlicht zu brüchig, heißt es in der Studie.

Dieses Problem wollen die Forschenden nun gelöst haben, indem sie den Aerogel-Kern nach Eisbärfell-Vorbild mit einem flexiblen Material ummantelt haben. Die Wahl fiel auf Polyurethan, einen thermoplastischen Kunststoff, mit dem auch manche Regenjacken und -hosen beschichtet sind. Die Forschenden optimierten das Verhältnis von Kerndurchmesser und Hüllendicke – und damit zwischen Isolierungsqualität und mechanischer Flexibilität – und konnten am Ende unter anderem ein weißes Strickgarn präsentieren, das sich weben, stricken und färben ließ. Ein Gewebe daraus kann laut Publikation zudem ohne Qualitätsverluste in der Waschmaschine gewaschen werden.

Auch mit der mechanischen Performance des Aerogel-Garns war das Team zufrieden. Die Fäden ließen sich biegen und auf ein Vielfaches ihrer Länge ziehen, ohne zu brechen. Und ein 0,5 Millimeter dicker ummantelter Aerogel-Faden hielt ein angehängtes 500-Gramm-Gewicht, ohne zu reißen.

Um die wärmedämmenden Eigenschaften zu messen, arbeiteten die Forschenden mit einer Infrarotkamera. Die Aufnahmen zeigten: Bei 40 Grad Celsius isolierte das Aerogelgewebe etwa 50 Prozent besser als Wolle und mehr als doppelt so gut wie PET oder Nylon. Ein Proband, der einen Strickpulli aus dem Material bei minus 20 Grad ausprobierte, hatte es darin ebenso warm wie in einer Daunenjacke, die etwa fünf Mal dicker war.

Für die Herstellung nutzten die Forschenden etablierte Verfahren, wie sie ähnlich auch bei der Produktion von anderen Chemiefasern – etwa Polyester, Polyamid oder Polyacrylnitril – zum Einsatz kommen. Den fadenförmigen Aerogelkern erzeugten sie aus einer Polymerlösung, die bei tiefen Temperaturen durch eine Spinndüse gepresst wurde. "Durch die Steuerung der Extrusionsgeschwindigkeit und der Temperatur der Kältequelle konnten wir die poröse Struktur innerhalb des Aerogelfadens einstellen", berichten sie in der Studie. Anschließend wurde der Faden gefriergetrocknet, mit einer polyurethanhaltigen Lösung beschichtet und getrocknet.

Bisher sei es nur eine Machbarkeitsstudie, räumen die Autoren ein. Doch die Herstellung des Aerogel-Garns sei recht kostengünstig. Zudem tauge das Gewebe aus dem Garn nicht nur für Kleidungsstücke, sondern auch für technische Produkte, etwa für Membranen. Damit ihre Vision wahr wird, müsste der Faden nach Eisbärfellvorbild nun allerdings noch in größeren Mengen produziert werden.

(anh)