Stichtag 1. Januar 2029: Wie das Onlinezugangsgesetz geändert werden soll

SPD, Grüne und FDP haben sich auf Änderungen des Onlinezugangsgesetzes verständigt. Was das für die Bürger bedeutet und ab wann mehr digital angeboten wird.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Von
  • Falk Steiner
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Die Ampelkoalition hat sich auf weitreichende Änderungen an der Überarbeitung des Onlinezugangsgesetzes geeinigt. Am Mittwoch sollen die im Innenausschuss des Bundestages beschlossen werden. Die Ampelpolitiker setzen dabei auf Standards und einen Rechtsanspruch.

Fast ein Dreivierteljahr haben die zuständigen Berichterstatter von SPD, FDP und Grünen im Bundestag über der Neufassung des sogenannten Onlinezugangsgesetzes gebrütet. Das Gesetz, dessen erste Fassung schon einen digitalen Zugang zu den Dienstleistungen der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen garantieren sollte, wird dabei kräftig überarbeitet. Die Koalitionäre zeigten sich vor dem Hintergrund der öffentlichen Reibereien demonstrativ zufrieden.

Wesentlicher Treiber für die Veränderungen soll nun eine stärkere Standardisierung werden. Bislang würden dem Vorhaben der flächendeckenden Verfügbarkeit digitaler Verwaltungsdienstleistungen zu viele unterschiedliche Schnittstellen, Datenformate und Softwareanwendungen im Wege stehen, so die Analyse der Bundestagsabgeordneten der Koalition. Derzeit wird von den Bund-Länder-Gremien eine Rahmenarchitektur entwickelt und "alle relevanten Interoperabilitätsstandards einschließlich der Prozessmodelle, Datenformate, Transportprotokolle und Schnittstellenbeschreibungen zur Anbindung von Onlinediensten, Fachverfahren und Basisdiensten" umfasst. Das soll vor allem die Nutzung von einmal entwickelter Software bei anderen Kommunen erleichtern – ein Ziel, was mit dem "Einer-für-Alle"-Prinzip seit Jahren existiert, in der Praxis aber oft scheiterte.

Zugleich aber geben die Bundestagsabgeordneten den Anspruch, alles möglichst schnell umzusetzen, auf: "Bund und Länder sind verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten", heißt es in dem Änderungsantrag. Ab Januar 2029 soll ein Anspruch auf elektronische Verwaltungsdienstleistungen für natürliche Personen durchsetzbar sein. Allerdings mit einer Einschränkung: "Schadensersatzansprüche und Entschädigungsansprüche sind ausgeschlossen", wie es im Text heißt. Den Rechtsanspruch einzuklagen, dürfte daher für viele Bürgerinnen und Bürger keine realistische Option sein. Juristische Personen wie Firmen und Vereine sollen ab spätestens Januar 2030 einen Anspruch darauf haben, dass auf Bundesgesetz beruhende, sie betreffende Verwaltungsleistungen elektronisch zur Verfügung stehen. Entsprechend vorsichtig beurteilt etwa auch der SPD-Digitalpolitiker Robin Mesarosch die Einigung: "Der Bund kann sich nicht aus dem Fenster lehnen und sagen: Ab 2029 gibt’s blühende Landschaften."

Eine zentrale Rolle soll das sogenannte Bürgerkonto spielen – hier läuft alles auf die bislang Bund-ID genannte Lösung hinaus. Die meisten Verwaltungsdienstleistungen nehmen Bürger allerdings nicht gegenüber Bundesbehörden wahr - sondern mit Kommunalverwaltungen. Hier endlich dazuzukommen, möglichst nur noch ein für alle Behördenanwendungen nutzbares Konto zu haben, ist aus Sicht der Ampelkoalitionäre zentral. Damit das gelingt, will sie eine wesentliche Änderung bei der Usability vornehmen: "Nur mit einem einfachen und sicheren Antrag werden Leistungen auch online beantragt", sagt der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin. Deswegen solle nach einmal initial erfolgter Identifizierung auch eine andere, selbstgewählte Methode zur Identifizierung möglich werden, wenn Nutzer das wünschen. Inaktive Nutzerkonten sollen hingegen nach zwei Jahren automatisch gelöscht werden.

Praxisrelevant dürfte dabei die vorgesehene Datenfreigabe durch Nutzer werden: Liegen Daten zur Identifizierung mittels steuerlicher Identifikationsnummer bereits vor, können diese vom Nutzer in sein Konto übertragen und anschließend für andere Stellen digital eingereicht werden. Das könnte mittelfristig etwa Anträge deutlich vereinfachen. Eine weitergehende Lösung, dass auch sonstige, digital vorliegende Dokumente bei Behörden mittels Nutzerkonto etwa vom Grundbuchamt an das Finanzamt übertragen werden könnten, hat die Koalition nicht aufgenommen.

Vorübergehend soll neben der eID des elektronischen Personalausweises auch der Zugangsnachweis über andere Verfahren mit dem EU-eID-Sicherheitsniveau substanziell möglich sein – das meint in Deutschland vor allem den Zugang mit Elster-Zertifikaten. Diese Regelung soll gegebenenfalls auch von BMI und BMF verlängert werden können, heißt es in dem Änderungstext.

Eine deutlichere Soll-, aber keine Muss-Regelung wird die Verwendung von Open-Source-Software: Die Bundesbehörden sollten offene Standards nutzen und "bei neu anzuschaffender Software Open-Source-Software vorrangig vor solcher Software beschaffen, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt." Allerdings streicht die Ampel damit einen Passus, der vorher enthalten war, nachdem dies nur dann der Fall sein sollte, wenn es "technisch und wirtschaftlich möglich" sei.

Eine praxisrelevante Änderung findet sich in dem viele weitere Gesetze ändernden OZG-Änderungsgesetz für die Zivilprozessordnung (ZPO): Wird von einer beglaubigungsberechtigten Stelle eine öffentliche Urkunde gescannt und deren Übereinstimmung mit der Urschrift versichert, sollen diese künftig gleichrangig mit dem Original behandelt werden.

Das eigentliche Problem der Verwaltungsdigitalisierung kann allerdings auch die Überarbeitung der Überarbeitung des Onlinezugangsgesetzes nicht auflösen: Der Bund besitzt nur Regelungskompetenz für den Verwaltungszugang – sprich: Wie ein Bürger oder ein Unternehmen sich an die Behörde wenden und mit ihr interagieren kann. Was anschließend passiert, liegt in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Doch für eine Verwaltungsdigitalisierung über den Zugang hinaus müssten diese Zuständigkeiten neu geregelt werden – oder die Länder würden sich auf ein einheitliches Vorgehen im Rahmen eines Staatsvertrages einigen müssen. Und hier droht auch der nächste Ärger: Die Änderung des Onlinezugangsgesetzes kann die Ampel zwar im Bundestag beschließen – sie ist jedoch im Bundesrat zustimmungspflichtig. Und durch die geänderte Haushaltssituation entfällt auch das bisherige Druckmittel: Fördergelder.

(mki)