Zollreform: Online-Bagatelleinkäufe in Nicht-EU-Ländern können teurer werden

Bislang sind viele Online-Einkäufe in Übersee für EU-Bürger praktisch zollfrei. Plänen der EU-Kommission zufolge kann sich das bald ändern.

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Zollfreiheit für Billigwaren fällt weg

(Bild: KI Midjourney | Bearbeitung: c’t)

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Für viele Online-Einkäufe bei Anbietern außerhalb der Europäischen Union können für EU-Bürger in Zukunft erstmals Zollgebühren anfallen. Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass zahlreiche Waren im Wert unter 150 Euro zollpflichtig werden. Das kündigte EU-Kommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch in Brüssel an. „Für die Verbraucher kann es zu einem sehr geringen Preisanstieg bei Waren von geringem Wert kommen“, teilte eine Sprecherin mit. Bislang muss bei den meisten Waren kein Zoll gezahlt werden, wenn der Wert unter 150 Euro liegt. Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel; sie betreffen etwa Tabak und Parfüm.

Die Reform soll allerdings Urlaubseinkäufe nicht betreffen, die Reisende im persönlichen Gepäck in die EU einführen. Die Regeln, die an den Flughäfen gelten, legt jeder EU-Mitgliedsstaat in eigener Verantwortung fest.

Gentiloni erklärte, es sei nicht das Ziel, Kunden bei niederwertigen Waren mit hohen Preissteigerungen zu belasten. Die Zölle, die auf solche Pakete anfielen, seien sehr gering. Solche Sendungen machten aber „die überwältigende Mehrheit dessen aus, was heute durch unseren Zoll geht“. Shopping-Plattformen seien durchaus in der Lage, diese Zollgebühr in ihre Dienstleistung einzubeziehen, führte er aus. Durch den Wegfall der Zollbefreiung für diese geringwertigen Waren könnte der EU allerdings etwa eine Milliarde Euro im Jahr mehr zur Verfügung stehen als bisher, sagte er. Noch sind die Reformpläne nur ein Vorschlag der Kommission. Als nächstes ist noch die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments erforderlich.

Mit der Reform will die europäische Politik vor allem Online-Shoppingportale dafür in die Verantwortung nehmen, dass Zölle und Mehrwertsteuer beim Kauf gezahlt werden. Somit würden Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr mit versteckten Gebühren oder unerwartetem Papierkram konfrontiert werden, wenn Pakete mit bestellten Waren ankämen, hieß es in einer Mitteilung der Kommission. „Die Reform wird den Verbrauchern in der EU auch die Gewissheit geben, dass die Waren, die sie kaufen, ordnungsgemäß kontrolliert werden, für sie und ihre Familien sicher sind und den EU-Nachhaltigkeitsstandards entsprechen“, sagte eine Sprecherin.

Der Onlinehandel habe in den vergangenen Jahren zu einer exponentiellen Anzahl von Lieferungen kleiner Warenpakete mit geringem Wert in die EU geführt. Gleichzeitig sei der elektronische Handel durch die derzeitige Zollbefreiung für Waren im Wert von weniger als 150 Euro äußerst betrugsanfällig geworden, hieß es zur Begründung. Schätzungen zufolge bewerten Absender rund 65 Prozent der Pakete, die sie in die EU schicken, absichtlich zu niedrig. Darüber hinaus ermutige die derzeitige Befreiung Verkäufer dazu, größere Sendungen in kleinere Pakete aufzuteilen, was wiederum zu mehr Verpackungsmüll und einem erhöhten CO2-Ausstoß führe.

Über die Regelung zu geringwertigen Waren hinaus will die Kommission noch weitere Aspekte des Zollsystems in der EU umkrempeln. Ein Kern der Maßnahmen soll die Errichtung einer EU-weiten Zollbehörde bis 2028 sein. Diese soll die 27 eigenständigen Systeme der Mitgliedsstaaten schrittweise durch ein zentralisiertes System ersetzen und den Staaten bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr an Betriebskosten ersparen. Ziel ist es cunter anderem, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. „Wir bauen keine Zoll-Frontex“, betonte Gentiloni am Mittwoch.

Der europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte die Pläne der Kommission. Die Bündelung der Behörden sei ein Schritt zum Schutz der Verbraucher auf den globalen Märkten, hieß es in einer Mitteilung. Die niederländische Staatssekretärin für Zoll, Aukje de Vries, sagte: „Für Bürger ist es wichtig, dass die Außengrenze der Union sicherer wird.“ Durch die Niederlande kämen etwa ein Drittel aller Importe in die EU, führte sie aus.

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im deutschen Bundestag, Markus Herbrand, kritisierte den Wegfall der 150-Euro-Grenze: Es drohe ein massiver Mehraufwand sowohl für den Zoll als auch für die Marktteilnehmer, sagte er.

(psz)