Reisefotografie: Kameras im Extremeinsatz

Im Labor schlagen sich viele Kameras gut, dem harten Praxiseinsatz sind selbst Profimodelle nicht immer gewachsen. So meistert man extreme Situationen.

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Lesezeit: 38 Min.
Von
  • Dr. Claus Possberg
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Fotografie hat viele Facetten. Ob im Studio, daheim mit Kindern oder unterwegs auf einer Reise, es gehört neben dem Auge für die richtige Location und den passenden Moment immer auch die richtige Strategie und Ausrüstung dazu. Je extremer die Aufnahmesituation, desto mehr Planung ist erforderlich, damit im entscheidenden Augenblick auf die Ausrüstung Verlass ist. Auf Motorradreisen wird das Equipment nicht nur mechanisch stark beansprucht, auch die klimatischen Bedingungen können modernen Digitalkameras schwer zusetzen.

Aktuelle Kamerasysteme sind in der Regel für den Einsatz bei Temperaturen von 0 bis 40°C vorgesehen. Es gibt zwei Gründe, warum das so ist: Erstens geben die aktuell dominierenden Lithiumionenakkus unter –5° Celsius nur sehr unwillig Energie ab und zweitens fragen die Kunden niedrige Temperaturbereiche bei den Herstellern offensichtlich kaum nach. Selbst aktuelle Profikameras von Nikon (D5 mit 0° bis 40°C) beziehungsweise Canon (1DX II mit 0° bis 45°C) sind nicht einmal für den Einsatz bei leichtem Frost spezifiziert. Für die allermeisten Kameras werden überhaupt keine Einsatztemperaturen angegeben. Andere Akkuarten wie Nickel-Metallhydrid oder Nickel-Cadmium sind übrigens noch temperaturempfindlicher als Lithiumionenakkus.

Hier habe ich eine Canon 5D Mark III mit dem EF 14mm f/2.8L USM II nach einigen Stunden im Freien vom Stativ geborgen. Bei -15°C und höherer Luftfeuchte kondensiert das Eis auf der rasch abkühlenden Frontlinse.

Auf Touren, die zu Winterzielen oder ins Hochgebirge führen, ist es theoretisch also schon fast Glücksache, ob die Kameras funktionieren. Praktisch klappt das mit Fotografieren in der Kälte aber ganz gut, wenn man einige Regeln beachtet. Meine kältesten Touren waren Finnland im Winter (bis unter –30°C) sowie in der Antarktis (bis unter –40°C). Erstaunlicherweise ging keine der Kameras (Canon 1Ds Mk III, Canon 5D Mk III) kaputt, allerdings war die Kamerafunktion keineswegs immer gegeben. Der Schwachpunkt ist die Energieversorgung. Kommt man aus dem warmen Auto, dann dauert es bei starken Minustemperaturen keine Stunde, bis Probleme auftreten können. Grund: Die Lastspannung der Akkus fällt bei steigendem Innenwiderstand, bis die Stromlieferfähigkeit aussetzt. Das ist kein Problem, wenn die Batterie immer wieder erwärmt wird. Lässt man die Kamera aber zum Beispiel nachts selbstständig Langzeitbelichtungen machen, ist eine große Batterie (mit extrem niedrigem Innenwiderstand) unverzichtbar. Im offiziellen Kamerazubehör der Hersteller gibt es dafür nichts Geeignetes. Den Selbstbau eines solchen Riesenakkus beschreibe ich in diesem Artikel. Bei den extrem niedrigen Temperaturen in der Antarktis habe ich allerdings eine andere Strategie verwendet: Die Akkus kommen in die Hoseninnentaschen und werden alle 30 bis 60 Minuten im Kreis in die Kamera getauscht.