Forscher schließen geneditierte Schweineleber an Körper von Hirntoten an

Mediziner untersuchen, wie man tierische Organe nutzen könnte, ohne dass sie in den Körper des Menschen implantiert werden müssen.

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(Bild: eGenesis)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Der Chirurg Abraham Shaked schätzt, dass er in seinem Arbeitsleben schon mehr als 2.500 Lebertransplantationen durchgeführt hat. Doch was er letzten Dezember tat, war für ihn völlig neu: Zusammen mit einem Team der University of Pennsylvania (UPenn) in Philadelphia schloss er die Venen eines hirntoten Mannes an eine kühlschrankgroße Maschine an, in der eine intakte Schweineleber steckte. Drei Tage lang floss das Blut des Mannes in die Maschine, durch die Schweineleber und zurück in seinen Körper.

Diese "extrakorporale" oder außerhalb des Körpers befindliche Leber könnte Menschen helfen, akutes Leberversagen zu überleben, das durch Infektionen, Vergiftungen oder (der häufigste Grund) zu viel Alkohol verursacht werden kann. Die UPenn führte den Versuch zusammen mit dem Biotech-Unternehmen eGenesis durch. Eine geschädigte Leber kann ihre Aufgabe, Giftstoffe aus dem Körper zu filtern, Nährstoffe zu verarbeiten und Proteine herzustellen, nicht mehr erfüllen. Der Anschluss an eine externe Leber könnte Betroffenen Zeit verschaffen. "Man will der Leber Zeit geben, sich zu erholen – oder sie zumindest so lange pfleglich behandeln, bis eine Transplantation möglich ist", erklärt Shaked.

Der Leberversuch in Philadelphia ist nur das jüngste Forschungsprojekt, bei dem mit Organen von Schweinen experimentiert wird, die zuvor gentechnisch so verändert wurden, dass ihr Gewebe besser mit dem des Menschen kompatibel ist. In früheren Studien an der Universität von Maryland wurden die Herzen von zwei Männern mit einer Herzerkrankung im Endstadium durch Schweineherzen ersetzt, die von einem weiteren Unternehmen, United Therapeutics, entwickelt worden waren. Bemerkenswerterweise konnten beide mit dem Tierherz leben, allerdings nur für kurze Zeit; beide starben innerhalb von zwei Monaten nach der Transplantation. Die Wissenschaftler untersuchen weiterhin, warum die Herzen versagten. Zumindest das Herz des zweiten Patienten zeigte Anzeichen einer Abstoßung.

Nun sagen einige Ärzte, dass die Verwendung eines Schweineorgans, das außerhalb des Körpers liegt, einfacher sein könnte, da es nur für eine begrenzte Zeit überleben muss. "Wenn das, was wir tun, so funktioniert, wie wir glauben, dann denke ich, dass diese Technologie das erste Schweineorgan sein könnte, das wirklich klinisch eingesetzt wird", sagt Shaked. Das große Ziel der "Pig Engineering"-Firmen, zu denen eGenesis, United und Makana Therapeutics gehören, ist die Herstellung angepasster Herzen, Nieren oder Lungen, die einen Menschen jahrelang am Leben erhalten können. Zu diesem Zweck haben sie alle genetische Veränderungen vorgenommen, sodass das tierische Gewebe vor dem menschlichen Immunsystem geschützt ist, das sonst die Organe angreifen würde.

Drei Tage lang floss das Blut des Mannes in die Maschine von OrganOx durch die Schweineleber und zurück in seinen Körper.

(Bild: eGenesis / OrganOx)

Durch die Verwendung einer Leber außerhalb des Körpers wird das Problem der längerfristigen Abstoßung des Organs weitgehend vermieden, da es nur einige Tage und nicht Jahre lang funktionsfähig bleiben muss. Die an den Schweinen vorgenommenen Genveränderungen scheinen die Organe zudem kurzfristig vor schweren Abstoßungsreaktionen zu schützen. "Hier gibt es keine komplexe Immunologie", sagt Shaked. "Wir eliminieren die Frage der Abstoßung, weil wir das Organ nicht lange verwenden. Es agiert mehr wie eine Maschine."

Die Idee wäre, das externe Organ zur Unterstützung von Menschen mit Leberversagen zu verwenden, bis ein menschliches Lebertransplantat für sie verfügbar ist – oder zumindest bis sich ihre Leber etwas erholt hat, was angesichts der Regenerationsfähigkeit des Organs durchaus möglich ist. Zu den Patienten, die davon profitieren könnten, gehören etwa jene, die eine Überdosis starker Schmerzmittel eingenommen oder im Laufe der Zeit zu viel Alkohol konsumiert haben und dann ein akutes Leberversagen entwickeln.

Mike Curtis, CEO von eGenesis, erklärt, dass sein Biotech-Unternehmen auch Schweinenieren und -herzen testet, die von seinen Mitarbeitern bereits in Paviane transplantiert wurden. eGenesis hofft, diese Organe in absehbarer Zeit auch an Menschen zu testen. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde ihm jedoch klar, dass eine "extrakorporale" Leber schneller zu einem Produkt führen könnte. Die Transplantation sei natürlich das Ziel. "Aber wir müssen erst beweisen, dass wir etwas haben, in das man investieren kann. Bei Lebern existiert ein akuter Bedarf mit wenigen konkurrierenden Produkten", sagt Curtis.

Für Biotech-Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, ein Produkt so schnell wie möglich in die Erprobung am Menschen zu bringen, denn dann klopfen die Partner der großen Pharmaunternehmen an. Und Organtransplantationen bei Schweinen hatten schon immer den Ruf, eine spekulative Technologie zu sein, die sich aber nie richtig durchgesetzt hat. "Die Neugier ist immer noch da und die Leute klopfen an", sagt Curtis. "Sie sehen die Technik als die Zukunft an. Die Frage ist: nächstes Jahr oder erst in 100?" Bei Herztransplantation sei man beispielsweise wirklich auf dem Holzweg, glaubt der eGenesis-CEO. "Bei der extrakorporalen Therapie hingegen ist es ein wenig so, wie bei der Entwicklung anderer Produkte. Man kann sich um ständige Verbesserungen bemühen."

Dies ist das erste Mal, dass ein Organ von einem der geneditierten eGenesis-Schweine an einem Menschen getestet wurde. Die Firma sei bereit, die Genehmigung zu beantragen, noch in diesem Jahr eine formelle Studie mit dem Lebersystem zu beginnen – und nicht nur ein Experiment, so Curtis. Wenn sie grünes Licht erhält, könnte dies die erste klinische Studie mit solchen Organen werden. (Die Herztransplantationen waren mit einer Sondergenehmigung versehen, die neuartige Therapieformen für Patienten im Endstadium erlaubt.)

Das Schweineleber-Experiment begann am 22. Dezember, nachdem die Familie eines älteren Mannes, der eine Hirnblutung erlitten hatte, zugestimmt hatte, seinen Körper für die Forschung verwenden zu dürfen. Er war hirntot, aber sein Herz schlug noch. Während des Experiments wurde die Schweineleber in ein Gerät der Firma OrganOx eingebaut, das normalerweise verwendet wird, um gespendete menschliche Organe warmzuhalten und mit Blut zu versorgen, damit sie für Transplantationen länger frisch bleiben. In diesem Fall wurden Schläuche, die mit den Venen der Versuchsperson verbunden waren, in das Gerät geführt – und beide Seiten blieben 72 Stunden lang miteinander verbunden.

Die Idee eines extrakorporalen Organs wurde schon einmal ausprobiert. In den 1990er Jahren schlossen Forscher mehrere Patienten an Lebern von Schweinen an, doch die Organe starben schnell ab. Nach Angaben von eGenesis war die Leber bei diesem Experiment, die von einem genetisch veränderten Yucatan-Minischwein stammte, selbst nach drei Tagen noch gesund.

Die Frage ist der praktische Nutzen: Anders als Herzen und Nieren sind Schweinelebern wahrscheinlich keine plausiblen Kandidaten für eine direkte Transplantation beim Menschen. Eine der Aufgaben des Organs ist die Massenproduktion von Proteinen, Fetten und Glukose – und die Schweineversionen dieser Moleküle würden wahrscheinlich eine starke Immunreaktion selbst gegen eine gentechnisch veränderte Leber hervorrufen. Adam Griesemer, chirurgischer Leiter des NYU Langone Transplant Institute, sagt, dass die extrakorporale Verwendung "wahrscheinlich die einzige Anwendung" für Schweinelebern sei.

(jle)