Schweineherzen: Biotech-Firma plant Transplantationen bei Babys mit Herzfehlern

eGenesis hat damit begonnen, gentechnisch veränderte Schweineherzen in Pavianbabys zu transplantieren und hat bereits kleinste Menschen im Blick.​

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eHealth, Big Data in der Medizin, Medizintechnik, Puls
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
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Das Pavianbaby trägt einen Netzkittel und scheint aufrecht zu sitzen. "Diese kleine Dame ... sieht ziemlich philosophisch-gelassen aus, würde ich sagen“, sagt Eli Katz, der das Tierphoto über einen Zoom-Anruf zeigt. Die kleine Pavianin sei die erste, die ein Herztransplantat von einem jungen gen-editierten Schwein erhalten habe, sagt der Chief Medical Officer des Biotech-Unternehmens eGenesis. Die Studie soll den Weg für ähnliche Transplantationen bei menschlichen Babys ebnen.

Das in Cambridge, Massachusetts, beheimatete Unternehmen hat eine Technik entwickelt, bei der mit dem Gen-Editierwerkzeug CRISPR rund 70 Änderungen am Genom eines Schweins vorgenommen werden. Diese Änderungen sollten es ermöglichen, dass die Organe erfolgreich in Menschen transplantiert werden können, sagt das Team. eGenesis hofft, schon im nächsten Jahr Schweineherzen in Babys mit schweren Herzfehlern verpflanzen zu können. Das Ziel ist, ihnen dadurch mehr Zeit zu verschaffen, während sie auf ein menschliches Spenderherz warten.

Bevor dies geschehen kann, will das Team von eGenesis an zwölf Pavianbabys üben. Bislang wurden zwei Operationen dieser Art durchgeführt. Obwohl keines der Tiere länger als ein paar Tage überlebt hat, ist das Unternehmen gemeinsam mit anderen Akteuren in diesem Bereich dennoch optimistisch. Viele Empfänger der ersten Lebertransplantationen hätten damals ebenfalls nicht überlebt, trotzdem haben seither Tausende Menschen von solchen Transplantationen profitiert, sagt Robert Montgomery. Babys mit angeborenen Herzfehlern sind "eine sehr gute Population, auf die man sich konzentrieren sollte", sagt er, "weil so viele von ihnen [sonst] sterben".

Allein in den USA warten mehr als 100.000 Menschen auf eine Organtransplantation. Jeden Tag sterben etwa 17 von ihnen. Forscher untersuchen mehrere rettende Möglichkeiten, wie das Herstellen von Organen per Bioprint-Verfahren und neue Organe im Körper von Menschen wachsen zu lassen. Die Transplantation von Tierorganen ist eine weitere mögliche Alternative, um den Bedarf zu decken.

Die Idee der Verwendung von Organen und Geweben von Tieren, die sogenannte Xenotransplantation, ist nicht neu. Erste Versuche wurden bereits im 17. Jahrhundert durchgeführt. Neuere Anläufe gab es in den 1960-er und nochmal in den 1990-er Jahren. Bei vielen Versuchen kamen Organe von Affen und Pavianen zum Einsatz. Doch Anfang der Neunziger setzte sich der Konsens durch, dass Schweine die besten Spenderkandidaten sind, sagt Montgomery.

Primaten sind kostbar, weil sie intelligente Tiere sind, die komplexe Gefühle empfinden. Nur eine kleine Anzahl darf für die Forschung am Menschen verwendet werden, und sie vermehren sich ohnehin nur langsam. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass sie schädliche Viren übertragen. Über die Aufzucht und Haltung von Schweinen weiß man dagegen schon viel, und ihre Organe haben ungefähr die richtige Größe für den Menschen.

Die Organverpflanzung zwischen Tieren verschiedener Arten ist jedoch nicht ganz einfach. Selbst Organe eines anderen Menschen können vom Immunsystem des Empfängers abgestoßen werden. Tierisches Gewebe enthält noch viel mehr Bestandteile, die unser Immunsystem als "fremd" betrachtet. Das kann also ebenfalls dazu führen, dass das Organ von Immunzellen angegriffen wird. Es besteht auch die Möglichkeit, dass mit dem Organ ein Virus übertragen wird. Selbst wenn ein Spendertier nicht infiziert ist, verfügt es über sogenannte "endogene Retroviren" – also über genetischen Code für uralte Viren, die schon vor langer Zeit in seine DNA eingebaut wurden.

Diese Viren verursachen bei ihren tierischen Wirten keine Probleme. Aber bei anderen Spezies könnten sie eventuell eine Infektion auslösen. "Es besteht das Risiko, dass Viren, die bei Tieren endemisch sind, sich beim Menschen weiterentwickeln und tödlich werden“, sagt Chris Gyngell, Bioethiker am Murdoch Children's Research Institute im australischen Melbourne.

Genau diesem Risiko will das eGenesis-Team mit CRISPR begegnen. "Man kann CRISPR-Cas9 verwenden, um die 50 bis 70 Kopien des Retrovirus im Genom zu inaktivieren", sagt Mike Curtis, Präsident und Geschäftsführer von eGenesis. Die Änderungen verhinderten, dass sich Retroviren vermehren können, sagt er.

Das Unternehmen schaltete zudem mit weiteren Geneditierungen auch einige Schweinegene aus, deren Proteinprodukte beim Menschen schädliche Immunreaktionen auslösen. Schließlich fügte es noch sieben menschliche Gene ein, die seiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit verringern, dass das Organ vom Immunsystem des Empfängers abgestoßen wird. Insgesamt "produzieren wir [Organ-]Spender mit über 70 Bearbeitungen", sagt Curtis.

Das eGenesis-Team führt diese Bearbeitungen an sogenannten Schweinefibroblasten durch. Das sind Zellen, die in Bindegewebe vorkommen. Anschließend entnimmt es die DNA-haltigen Zellkerne der bearbeiteten Zellen und setzt sie in Schweine-Eizellen ein. Nach ihrer Befruchtung mit Spermien wird das entstehende Embryo in die Gebärmutter eines erwachsenen Schweins eingesetzt. Schließlich werden die geklonten Ferkel per Kaiserschnitt entbunden. "Es handelt sich um dieselbe Technologie, mit der in den Neunzigerjahren Dolly geklont wurde", sagt Curtis, der sich auf das berühmte Schaf bezieht, das als erstes Tier aus einer erwachsenen Zelle geklont wurde.

eGenesis verfügt über rund 400 geklonte Schweine, die in einer Forschungseinrichtung im Mittleren Westen der USA untergebracht sind. Den genauen Standort will es nicht preisgeben, da die Einrichtungen bereits Ziel von Tierschutzprotesten waren. Anfang letzten Jahres richtete das Unternehmen eine "saubere" Anlage ein, um menschengerechte Organe herzustellen. Jeder, der sie betritt, muss duschen und Schutzkleidung tragen, um zu vermeiden, dass er Keime einschleppt, die die Schweine infizieren könnten. Die 200 Schweine, die sich derzeit in dem Zentrum befinden, leben in Gruppen von 15 bis 25 Tieren, sagt Curtis: "Es ist im Grunde wie ein sehr sauberes Haus. Wir kontrollieren das gesamte Futter, das hereinkommt, und wir haben eine Abfallkontrolle und eine Luftstromkontrolle. Es gibt keinen Schlamm."

Die Schweine, deren Organe nicht verwendet werden, werden genau untersucht, sagt Curtis. Das Unternehmen muss verstehen, wie sich die zahlreichen Genveränderungen, die es vornimmt, auf ein Tier im Laufe seines Lebens auswirken. Das Team möchte auch wissen, ob die menschlichen Gene im Laufe der Zeit weiterhin abgelesen werden. Einige der Schweine sind über vier Jahre alt, sagt Curtis. "Bis jetzt sieht es gut aus", resümiert er.