Interview: So denken die r/de-Moderatoren über den Reddit-Streik

Reddit streikt – auch das größte deutschsprachige Subreddit r/de bleibt weiter dicht. Ein Interview mit den Moderatoren zum Blackout und den Aussagen des CEO.

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(Bild: Erzeugt mit Midjourney durch iX)

Lesezeit: 7 Min.

Das Subreddit r/de ist – oder derzeit wohl besser: war – das größte deutschsprachige Subforum des einst beliebten sozialen Netzwerks Reddit. Seit vergangenem Montag befindet es sich wie viele andere große Subreddits im Streik. Die Moderatoren protestieren gegen den Umgang von Reddit mit Dritt-Entwicklern und die angekündigten API-Preiserhöhungen, die bereits einige der beliebtesten Reddit-Apps in die Knie gezwungen haben. iX hat mit den Moderatoren von r/de über den Reddit-Blackout und die Zukunft der Plattform gesprochen.

Der Apollo-Entwickler beschwert sich in seinem ausführlichen Post nicht nur über die hohen API-Preise und deren kurzfristigen Einführung, sondern auch über die chaotische Kommunikation seitens Reddit. Hat das Unternehmen überhaupt schon direkt mit euch gesprochen und wenn ja, teilt ihr die Erfahrungen von Christian Selig?

Wir können zu der Apollo-Thematik selbst relativ wenig beitragen. Mit uns hat Reddit – also die Führungsetage – nicht geredet. Allerdings stehen wir im Kontakt mit der deutschsprachigen Administration, die auch ein offenes Ohr für unsere Anliegen hat. Die große Frage ist, ob die Führungsebene von Reddit selbst ein offenes Ohr dafür hat, was an sie herangetragen wird. Das ist nach unserer Erfahrung nicht so. Dass die Kommunikation seitens Reddit eine Katastrophe ist, ist für uns auch nicht neu, so kennen wir es und so hassen wir es.

Was sagt ihr zu den Nachrichten von Freitagmorgen, in denen der Reddit-CEO Steve Huffman in einem Interview die Moderatoren der Blackout-Subreddits als "Landadel" bezeichnet und damit droht, sie – und damit auch euch – einfach zu ersetzen?

Spez (Anm. d. Red.: Der Reddit-Username des Reddit-CEOs Steve Huffman) hat mit dem Interview wieder einmal verdeutlicht, dass er zum einen die Arbeit der Moderatoren absolut nicht wertschätzt und zum anderen vermutlich sehr wenig Ahnung davon hat, wie seine eigene Plattform eigentlich in den unteren Ebenen funktioniert. Darüber hinaus sind die aufgebrachten Kritikpunkte nicht zuletzt Reddits eigene Schuld. Es wird seit Jahren kritisiert, dass es Moderatoren gibt, die hunderte Subreddits moderieren. Das Wort Powermods ist in der Community schon lange ein Begriff. Reddit selbst fördert diese Powermods teilweise, entsprechend hätten sie längst etwas an den Zuständen ändern können.

Auch der Glaube, dass man Moderatoren in den aktiven Communities einfach so ersetzen könnte, zeugt von einer gewissen Unkenntnis darüber, wie viel Zeit die Moderation in den großen Subs kostet. Oder wie viel Zeit und Herzblut einige Moderatoren in kleinen Subs in den Aufbau ihrer Communities investieren. Alles in allem – mangelnde Wertschätzung und Unkenntnis über die eigene Plattform. Aber auch das ist für uns alle bei Spez nicht neu.

Was war ursprünglich eure Motivation, so viel Zeit in die Moderation des größten deutschsprachigen Subreddits zu investieren und wie wirken sich die Ereignisse der letzten Tage auf diese Motivation aus?

Das lässt sich nicht kollektiv beantworten, jeder hat sicher seine eigenen Gründe. Was uns, denke ich, vereint, ist der Umstand, dass wir die Community von r/de mögen – an manchen Tagen mehr, an manchen weniger. Und wir alle waren ja selbst vorher mal entweder aktive User oder wenigstens Mitleser. Und die investierte Zeit ist letztlich auch auf unseren eigenen Anspruch zurückzuführen, eine möglichst gute Grundlage für diese Community zu schaffen.

Die Ereignisse der letzten Tage haben auf einen Großteil unseres Teams eine demotivierende Wirkung gehabt. Das ist aber nicht nur auf die Ereignisse selbst zurückzuführen, sondern einfach auf den Trend, den wir seit Jahren sehen. Reddits Führungsebene scheint keinerlei Wertschätzung für die Content Creator und Moderatoren zu haben und die Kommunikation ist schon lange eine Katastrophe. Das ist für viele, besonders lange aktive Moderatoren einfach nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nicht nur Drittanbieter-Apps, sondern auch Mod-Tools sollen von den API-Preiserhöhungen betroffen sein. Das hört man zumindest öfter. Trifft das auch auf euch zu, nutzt ihr solche Tools, die auf APIs zugreifen?

Wir benutzen eine Vielzahl unterschiedlichster Tools, die quasi ausschließlich von Drittanbietern geschrieben worden sind und teilweise auch die API nutzen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Reddit trotz aller Versprechungen bis heute keine zufriedenstellenden nativen Werkzeuge zur Verfügung stellt. Selbst die Werkzeuge, die sie in den letzten Jahren hinzugefügt haben, sind entweder nur im für die Moderation recht unbeliebten "New Design" anwendbar oder auch weiterhin vollkommen nutzlos. Das ist aber ein Trend, den wir seit Jahren sehen.

Reddit entwickelt, gerade was die Moderation angeht, an den Moderatoren vorbei. Dort sitzen einfach nicht genug Leute, die wirklich selbst aktiv große Subs moderiert haben. Ob und inwiefern diese Moderations-Tools von Drittanbietern betroffen sein werden – dazu gab es in den letzten Tagen ganz unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Informationen.

Wie lange wird der Blackout eurer Meinung nach noch andauern? Bei euch, aber auch allgemein in den großen Subreddits?

Wir sind uns selbst noch nicht komplett darüber im Klaren, wie lange wir den Blackout noch durchführen werden. Es kommen täglich wieder neue Infos rein, zuletzt das oben schon angesprochene Interview, in dem u/spez noch einmal seine Haltung gegenüber Moderatoren im Allgemeinen aufgezeigt hat. Solche Dinge können je nach Tragweite natürlich zu einer kompletten Neueinschätzung der Situation führen, weswegen wir uns zeitlich dort nicht festlegen wollen.

Wie lange es bei den großen internationalen Subreddits oder auch nur anderen deutschsprachigen Subreddits aussieht, lässt sich für uns nicht wirklich abschätzen. Allerdings bemerken wir aus Gesprächen, dass in den letzten Tagen die Bereitschaft eines unbefristeten Blackouts in vielen Mod-Teams eher zu- als abnimmt.

Gibt es Kommunikation und Koordination zwischen euch und den Mod-Gruppen in anderen Subreddits?

Es gibt schon seit langer Zeit einen Discord-Server, auf dem sehr viele deutschsprachige Moderatoren unterschiedlichster Subs zu finden sind und dort koordiniert man sich natürlich untereinander. Letztlich geht aber jedes Sub seinen eigenen Weg und entscheidet auch individuell, was für die eigene Community die vermeintlich beste Lösung ist. Mit den internationalen Subs stehen wir nicht im Austausch, beziehungsweise nur als stille Mitleser. Die internationale Koordination des Blackouts ist uns persönlich etwas zu wirr und teilweise auch zu undurchsichtig, daher halten wir uns da eher raus.

Was haltet ihr von Reddit-Alternativen wie Feddit/Lemmy oder kbin? Sind sie als echte, langfristige Nachfolger von Reddit geeignet, falls die großen Subreddits überhaupt nicht mehr zurückkommen?

Wir sehen hier natürlich die Parallelen zu Twitter, wo Alternativen wie Mastodon im Raum standen, was aber auch nicht wirklich funktioniert hat. Reddit ist, was Forenkultur angeht, schon in der Monopolstellung und wird dies auf absehbare Zeit auch bleiben. Ja, es gibt eine Abwanderung, aber wir denken, dass das eher ein temporärer Effekt ist, gerade im deutschsprachigen Bereich. Allein der Anmeldevorgang und die Technik hinter solchen alternativen Netzwerken ist für den 08/15-User, der nur mal in der Mittagspause ein paar Memes schauen will, zu viel Aufwand.

Liebe r/de-Mods, vielen Dank für eure Antworten.

(jvo)