Whatsapp muss sich öffnen: Threema und Signal winken ab

Die EU verdonnert Gatekeeper wie Whatsapp, ihre Plattform für andere Anbieter zu öffnen. Die Idee klingt gut, nur machen Threema und Signal dabei nicht mit.​

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Threema, Schweiz

Theoretisch könnten Nutzer von Threema oder Signal bald mit Whatsapp-Usern kommunizieren.

(Bild: Threema)

Lesezeit: 5 Min.
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Wenn Meta seinen Messenger Whatsapp für den Austausch von Nachrichten mit anderen Apps öffnen muss, lehnen Signal und Threema dankend ab. Bei beiden Messengern stehen Datenschutz, Verschlüsselung und Anonymität im Vordergrund. Bei einer Verbindung mit Whatsapp würde die Integrität ihrer Messenger zumindest teilweise aufgeweicht, fürchten die Anbieter.

Threema bestätigt auf Anfrage, dass der Messenger eine mögliche Verbindung mit Whatsapp nicht herstellen wird. "Der Hauptgrund liegt darin, dass unsere Sicherheits- und Datenschutz-Standards nicht damit vereinbar sind", erklärt ein Sprecher gegenüber heise online. "Wir können und wollen von diesen Standards nicht abweichen – sie sind, was Threema ausmacht."

Auch Signal will seine Standards nicht für Whatsapp senken. "Unsere Messlatte für den Schutz der Privatsphäre liegt extrem hoch, und wir werden sie nicht nur nicht senken, sondern wollen sie immer weiter anheben", sagt Signal-Präsidentin Meredith Whittaker. "Derzeit würde eine Zusammenarbeit mit Facebook Messenger, iMessage, WhatsApp oder auch mit einem Matrix-Dienst eine Verschlechterung unserer Datenschutzstandards bedeuten."

Beispiel Metadaten. "Das heißt: Wer kommuniziert mit wem, wann, wie oft, wer ist mit wem in einer Gruppe und so weiter", erklärt Threema-Chef Martin Blatter der Schweizer Tagesschau. "Diese Daten sagen sehr viel über eine Person aus, auch wenn man die Inhalte selbst gar nicht kennt. Diese Daten würden bei Meta landen und das wollen wir nicht."

Der Meta-Konzern, zu dem die Plattformen Whatsapp und Facebook Messenger gehören, wurde von der EU-Kommission als sogenannter "Gatekeeper" (Torwächter) eingestuft. Für diese besonders großen und dominanten Plattformen sieht der europäische Digital Markets Act (DMA) vor, dass sie sich für andere Anbieter öffnen müssen. Die EU will damit den Wettbewerb zwischen den Plattformen stärken.

Denn laut einer Erhebung des Dachverbands der europäischen Regulierungsbehörden nutzen nur wenige Menschen in der EU einen Messenger wie Signal oder Threema als primäre Messaging-App. Der weitaus größte Teil nutzt Whatsapp (61 Prozent) oder den Facebook Messenger (23 Prozent). Knapp 3,5 Prozent nutzen Apples Dienste Facetime und iMessage, Telegram kommt auf gut 2 Prozent.

Im DMA heißt es, dass die als Gatekeeper identifizierten Anbieter innerhalb von sechs Monaten ein Referenzangebot veröffentlichen müssen, zunächst für die Interoperabilität bei Text, Bildern, Videos und Sprachnachrichten. Daran arbeitet Whatsapp gerade, der Stichtag ist der 7. März 2024. Für den Facebook Messenger hat Meta Einspruch gegen die Einstufung als Gatekeeper eingelegt.

Der Knackpunkt: Die anderen Plattformen müssen sich auch mit den Gatekeepern vernetzen wollen. "Das Referenzangebot muss erstellt werden, die Schnittstelle muss aber nur dann eingerichtet werden, wenn es dafür einen Antrag eines anderen Dienstes gibt", erklärt ein Sprecher der EU-Kommission. "Es steht Drittanbietern frei, ob sie diese Möglichkeit nutzen möchten oder nicht."

"Die Idee hinter dem Digital Markets Act ist, Fairness auf dem Online-Markt der EU zu schaffen. Deshalb betreffen die Maßnahmen nur die Gatekeeper", sagt der Threema-Sprecher. "Wir können frei entscheiden, ob Threema mit WhatsApp interoperabel werden soll, wovon wir im Interesse unserer Nutzer absehen."

Whatsapp nutzt für die eigene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung das ursprünglich von Open Whisper Systems um den Verschlüsselungsexperten Moxie Marlinspike entwickelte Signal-Protokoll. Auch der Facebook Messenger, der erst seit Ende vergangenen Jahres verschlüsselt, macht das mit dem Signal-Protokoll.

Das Signal-Protokoll mausert sich unterdessen langsam zum Branchenstandard. Google setzt bei seinem Standard-Messenger von Android ebenfalls auf Signal. Apple macht mit PQ3 für iMessage wie immer sein eigenes Ding, das aber nach dem gleichen Prinzip funktioniert. Die neue Verschlüsselung soll im März mit iOS 17.4 erscheinen. Selbst öffnen muss Apple iMessage überdies nicht.

Das Signal-Protokoll sei für Whatsapp auch die bevorzugte Methode, um Interoperabilität herzustellen, sagte Technikchef Dick Brouwer dem US-Magazin Wired vor zwei Wochen. Andere Apps könnten dann mit Whatsapps eigenen Servern interagieren. "Das halten wir für den besten Weg", erklärte Brouwer. "Wir lassen die Dritt-Clients sich direkt mit unserer Infrastruktur verbinden." Aber auch andere Protokolle will Whatsapp zulassen, sofern sie die Sicherheitsstandards erfüllen.

Für Threema ist das kein gutes Angebot. "WhatsApp gibt alle Protokolle vor, und wir wüssten nicht mit Sicherheit, was mit den Nutzerdaten geschieht, wenn sie an WhatsApp übertragen werden, zumal WhatsApp ja nicht Open Source ist", erklärt der Sprecher. Zudem gebe es noch ungelöste technische Probleme, durch die "Threema-Nutzer potenziell deanonymisiert werden könnten".

Und Signal? Wenn Whatsapp das gleiche Protokoll verwendet, müsste das doch passen. "Wir gehen darüber hinaus und haben neue Techniken entwickelt, um intime Metadaten zu verschlüsseln", erklärt Whittaker. "Es ist lobenswert, dass andere wichtige Apps das Signal-Protokoll nutzen. Aber sie kommen nicht einmal annähernd an unsere Standards heran."

Eine Zusammenarbeit mit anderen berge das Risiko, dass sie Zugriff auf Daten erhalten und diese verwerten, vielleicht auch kommerziell, was nicht mit den Zielen von Signal vereinbar sei, sagt Whittaker. "Das würde das Vertrauen der Menschen in Signal untergraben und unserem wichtigsten Ziel entgegenstehen. Es steht daher für uns nicht zur Debatte."

(vbr)