Die ersten von KIs gefundenen Medikamente kommen​

Seite 2: Der wahre Engpass kommt erst

Inhaltsverzeichnis

Anfang März nun stellte Insilico einen Medikamentenkandidat für idiopathische Lungenfibrose im Fachjournal "Nature Biotechnology" vor. Bei dieser Lungenerkrankung vernarbt das Lungengewebe nach und nach mit tödlichem Ausgang, ohne dass die Ursache dafür bekannt ist. Insilicos KI-Software hatte sowohl das Protein TNIK als mögliches Ziel vorgeschlagen, als auch mehrere Substanzen, die es außer Gefecht setzen könnten. Eine davon wurden anschließend in ersten Sicherheitstests an Zellen, Tieren und schließlich auch am Menschen getestet.

Einige Beobachter bezeichneten die Arbeit als eine umfassende Demonstration der Entwicklung eines Arzneimittelkandidaten mithilfe von KI. "Dies ist wirklich ein komplettes Werk", sagte Timothy Cernak von der Universität von Michigan gegenüber der Zeitschrift "Chemical & Engineering News". Das Medikament wurde inzwischen in Phase-II-Studien in China und den USA getestet, in denen erste Erkenntnisse darüber gewonnen werden sollen, ob es Patienten mit dieser Lungenkrankheit tatsächlich hilft.

Zhavoronkov behauptet zwar, die Chemikalie sei das erste echte KI-Medikament, das so weit fortgeschritten ist, und das erste von einer generativen KI. Allerdings macht die nebulöse Definition von KI es unmöglich, seine Behauptung zu bestätigen.

Einige KI-Skeptiker sagen, dass die Entwicklung von Medikamentenkandidaten nicht der wahre Engpass ist. Die kostspieligsten Rückschläge treten nämlich oft erst in späteren Testphasen auf, wenn sich ein Medikament bei der Erprobung an Patienten nicht bewährt. Bisher ist die künstliche Intelligenz keine Garantie gegen solche Fehlschläge.

Jetzt, da er ein Medikament in Wirksamkeitstests am Menschen hat, räumt Zhavoronkov ein, dass sein Ursprung in einem Computer die verbleibende Reise wahrscheinlich nicht beschleunigen wird. "Es ist wie bei einem Tesla. Von 0 auf 60 ist man sehr schnell, aber danach bewegt man sich mit der Geschwindigkeit des Verkehrs", sagt er. "Und man kann immer noch scheitern."

Zhavoronkov Traum ist es, dass das Medikamentenprogramm weiter voranschreitet und zeigt, dass es Lungenpatienten helfen kann, vielleicht sogar ein Gegenmittel gegen die Folgen des Alterns bietet. "Dann ist man ein Held", sagt er. "Ich möchte nicht einmal, dass man sich an mich wegen KI erinnert. Ich möchte, dass man sich an mich wegen des Programms erinnert."

(jle)