Urteil: Bund muss Lkw-Maut auch für 2016 bis 2020 teils zurückzahlen

Der Fehler, die Kosten für die Verkehrspolizei in die Mautsätze einzuberechnen, fällt dem Bund weiter auf die Füße. Erstattungsvolumen: Rund 1 Milliarde Euro.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 131 Kommentare lesen
PKW-Maut

Die LKW-Maut für die Polizei wurde ungerechtfertigt erhoben.

Lesezeit: 3 Min.

Neue gerichtliche Schlappe für den Bund im Dauerstreit über die Höhe der Lkw-Maut. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat jetzt in einem sogenannten Musterverfahren entschieden, dass das zuständige Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) die Abgabe auch im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 27. Oktober 2020 falsch berechnet hat. Die entsprechende Erhebung der Maut sei daher rechtswidrig gewesen, erklärten die Richter. Sie begründen dies damit, dass die Behörde die Kosten für die Verkehrspolizei in die Berechnung der Mautsätze einfließen ließ.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Herbst 2020 geurteilt, dass beim Festsetzen der Gebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten berücksichtigt werden dürfen, also die Ausgaben für Bau sowie Betrieb, Instandhaltung und Erweiterung des betreffenden Verkehrswegenetzes. Polizeiliche Tätigkeiten fallen demnach in die Verantwortung des Staates. Geklagt hatte eine polnische Spedition. Das EuGH-Urteil bezog sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011. Das BALM lehnte eine Übertragung dieser Entscheidung auf die Folgejahre ab. Das ließ das VG Köln nun nicht gelten. Seiner Auffassung nach sind die einschlägigen EU-Richtlinien zu den Verkehrswegekosten miteinander vergleichbar.

Die Klägerin selbst beantragte von der Bundesrepublik Deutschland – vertreten durch das BALM – die Rückerstattung der gezahlten LKW-Maut in Höhe des Anteils der Verkehrspolizeikosten plus Verzinsung "nur" für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 27. Oktober 2020. Dem gab das VG Köln mit seinem Urteil vom Mittwoch statt (Az.: 14 K 6556/20). Die Richter begründen dies damit, dass die Erwägungen des EuGHs und des Oberverwaltungsgerichts in Münster für den Zeitraum 2010 bis 2011 auf den neuen Klagezeitraum "vollständig übertragbar" seien. Selbst der Ansatz der Verkehrspolizeikosten sei überdies fehlerbehaftet gewesen, da darin auch Gelder "für die Erledigung anderer Aufgaben" eingepreist worden seien.

Das Gericht hat festgestellt, dass der Anteil der Kosten der Verkehrspolizei im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 31. Dezember 2018 5,86 Prozent und zwischen Anfang 2019 und dem 27. Oktober 2020 4,44 Prozent beträgt. Das BALM muss damit der klagenden Spedition zunächst 20.200 Euro nebst Zinsen zahlen, rechnet Carsten Vyvers von der Kanzlei Arnecke, Sibeth, Dabelstein vor. Der Anwalt der Klägerin, Martin Pfnür, geht insgesamt von einem potenziellen Erstattungsvolumen von bis zu 1 Milliarde Euro aus, da es insgesamt rund 38.000 einschlägige Anträge auch von anderen Speditionen gebe. Es sei aber noch unklar, bei wie vielen Transportunternehmen die Erstattungsansprüche bereits verjährt seien. Letztlich müsste der Steuerzahler für die Rückzahlungen aufkommen.

Eine direkte Berufung gestattete das VG Köln nicht. Die Beteiligten können aber einen Antrag auf Zulassung des Gangs in die zweite Instanz stellen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Das Urteil ist so noch nicht rechtskräftig. Beim VG Köln sind ferner weitere Klagen anhängig, in denen Speditionen nicht nur den Anteil der Verkehrspolizeikosten, sondern die vollständige Rückerstattung gezahlter Mautgebühren für unterschiedliche Zeiträume fordern. Die Richter sehen hier noch weiteren Erörterungsbedarf und haben daher einschlägige Fragen in ein eigenes Verfahren überführt (Az.: 14 K 626/23). Einen Entscheidungstermin dazu gibt es noch nicht.

(nie)